Erstmals lag die monatliche Belastung am berühmt-berüchtigten Neckartor in Stuttgart unter 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Kann die Landeshauptstadt jetzt aufatmen?

Stuttgart - Der Landesverkehrsminister verbreitete die Erfolgsmeldung am Donnerstag via Skype und per Pressemitteilung: „Die Luftqualität in Stuttgart hat sich in den vergangenen Monaten an den stark befahrenen Straßenabschnitten deutlich verbessert“, erklärte Winfried Hermann (Grüne) unter Verweis auf aktuelle Messergebnisse der Landesanstalt für Umwelt (LUBW). Im ersten Quartal 2020 sei an der Messstelle Neckartor erstmals eine monatliche Belastung von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft und darunter gemessen worden. 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid entsprechen dem von der EU vorgeschriebenen Grenzwert. Dieser darf im Jahresmittel nicht überschritten werden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist der Wert laut LUBW um 13 Mikrogramm gesunken. Sollte sich die Belastung im gesamten Jahr 2020 auf diesem Niveau einpendeln, würde der Grenzwert am Stuttgarter Neckartor erstmals eingehalten. 2019 lag der Jahresmittelwert für NO2 bei 53 Mikrogramm pro Kubikmeter, 2018 wurden noch 71 Mikrogramm je Kubikmeter Luft gemessen.

 

Das Wetter und die Corona-Pandemie wirken sich aus

„Unsere Maßnahmen waren und sind erfolgreich“, sagte Hermann bei der Vorstellung der Messergebnisse. Dazu zählte er die Tempo-40-Zonen, die Einrichtung eines speziellen Busfahrstreifens, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, das Aufstellen von Filtersäulen sowie die bisherigen Fahrverbote. Außerdem hätten das Wetter und die Corona-Pandemie einen deutlichen Einfluss auf das Ergebnis. So hat sich der Kfz-Verkehr nach Angaben des Verkehrsministeriums seit Inkrafttreten der Kontaktbeschränkungen an den Stuttgarter Messstellen um etwa ein Drittel reduziert.

LUBW-Präsidentin Eva Bell sagte, der Vergleich der vier Straßenabschnitte am Neckartor, an der Hohenheimer Straße, an der Prag- und an der Talstraße zeige, dass die ergriffenen Maßnahmen für eine geringere Belastung der Anwohner mit Stickstoffdioxid sorgten. Entscheidend sei allerdings der Jahresmittelwert, da Tages- oder Wochenwerte noch stark von kurzfristigen Schwankungen des Verkehrs und des Wetters geprägt sein können.

Hermann betonte: „Wir ruhen uns nicht auf diesen guten Werten aus, sondern arbeiten mit der Landeshauptstadt und dem Regierungspräsidium an dauerhaften Verbesserungen.“ Weitere Verkehrsverbote könnten so hoffentlich verhindern werden. Seit Anfang des Jahres gilt an den Hauptverkehrsstraßen im Talkessel und an weiteren Strecken Tempo 40. Am Neckartor und auf der Hohenheimer Straße gelten zudem streckenbezogene Verkehrsverbote für Euro 5-Dieselfahrzeuge. Bereits seit 1. Januar 2019 gilt in der gesamten Umweltzone ein Verkehrsverbot für Euro 4-Dieselfahrzeuge und schlechter.

„Verschärfung der Verkehrsverbote im Moment nicht notwendig“

Weitere Fahrverbote sind angesichts der aktuellen Messergebnisse nicht automatisch vom Tisch. Die Diskussion darüber wird kontrovers geführt. Die Entscheidung darüber sollte in Zusammenhang mit der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans auf Basis einer Prognose der NO2-Belastungen für das Gesamtjahr 2020 getroffen werden. „Da momentan niemand weiß, wie lange die Krise dauern wird und welche langfristigen Folgen sie haben wird, können die Auswirkungen der Corona-Einschränkungen aktuell nicht abgeschätzt werden“, erklärte das Verkehrsministerium. Das Land hat den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim inzwischen gebeten, das Gerichtsverfahren zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans ruhen zu lassen. Zur Begründung sagte Hermann: „An den Stuttgarter Hotspots bewegen sich aktuell alle NO2-Messwerte in Richtung Grenzwert. Die Belastungen sind damit so niedrig, dass eine Verschärfung der Verkehrsverbote zum Schutz der menschlichen Gesundheit im Moment nicht notwendig ist und auch nicht verhältnismäßig wäre.“ Eine Entscheidung solle er erst dann fallen, wenn sich die Situation normalisiert habe.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) drängte bisher auf die Einführung eines zonalen Euro-5-Dieselfahrverbots in Stuttgart spätestens zum 1. Juli 2020. Auf die Frage, warum er keinen Vergleich mit der DUH anstrebe antwortete Hermann am Donnerstag: „Ich habe von der Landesregierung keinen Auftrag über einen Vergleich zu verhandeln.“