Kritische Bürger aus Schmiden haben für ihre Resolution an die Stadt Fellbach in wenigen Wochen mehr als 200 Unterschriften von Unterstützern gesammelt. Ihre Hoffnung auf Tempo 20 im Ortskern hat allerdings bereits einen Dämpfer erhalten.

Schmiden - Das Großprojekt Neue Mitte Schmiden nähert sich, wie Autofahrer beim Durchqueren oder Fußgänger als Kunden der dortigen Geschäfte unschwer erkennen können, der Vollendung. Die ersten Wohnungen sind nach Angaben der Fellbacher Rathaus-Pressestelle bezogen, die Arztpraxis hat bereits beträchtlichen Zulauf, und auch die Gestaltung des Straßenraums ist großteils abgeschlossen.

 

Bei der neugestalteten Ortsmitte wurden die Fahrradfahrer vergessen

Das Leuchtturmprojekt Ortsmitte stößt allerdings nicht überall auf Begeisterung. Speziell aus Radfahrerkreisen war in den vergangenen Monaten vermehrt Kritik zu hören – etwa von Vertretern des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), von der grünen Fraktion im Stadtparlament oder auch in Leserbriefen an unsere Zeitung, die die Neugestaltung als „Schildbürgerstreich“ bezeichneten.

Vor wenigen Wochen hat nun eine kleine Gruppe um Tobias Maile aus Schmiden eine Petition gestartet. Sie rügen darin diverse Versäumnisse und Missstände und fordern unter der Überschrift „Fahrradfreundliche Neue Mitte Schmiden“ einige Verbesserungen. Die Kernbotschaft fasst Maile in der knalligen These zusammen: „Die Ortsmitte Schmiden wurde neugestaltet – und dabei wurde das Fahrrad vergessen!“ Das Fahrrad gewinne „überall auf der Welt mehr Raum“, werde jedoch in Schmiden „abweisend behandelt“, denn „der Fahrradweg wurde einfach mit der Autospur zusammengelegt“.

Tempo 20 wird gefordert

Maile verweist auf das „Gefahrenpotenzial der jetzigen Lösung“. Speziell gemeint ist dabei der Übergang, wenn der Fahrradstreifen am neugestalteten Bereich an der Achalmstraße direkt auf die Fellbacher Straße geleitet wird. Das „sichere Überholen“ von Radfahrern mit dem mittlerweile vorgeschriebenen Abstand von 1,5 Metern sei dort nicht möglich – „überholt wird trotzdem“, so Maile. Die Frage des Vaters zweier Töchter an die Schmidener Eltern: „Könnten Sie Ihre Kinder hier mit gutem Gewissen mit dem Fahrrad fahren lassen?“

In der Resolution setzt die Initiative darauf, „dass endlich ein Umdenken stattfindet und Verkehrsplanung für nachhaltige Mobilität durchgeführt wird und nicht wie bisher alle Alternativen zum Auto nur am Rande betrachtet werden“. Konkret für die Ortsmitte Schmiden heißt das: Tempo 20, „um die Sicherheit der Fahrradfahrenden wenigstens etwas zu erhöhen“. Nötig sei außerdem die Entschärfung der Kreuzung Fellbacher Straße/Gotthilf-Bayh-Straße, um die Zusammenführung von Fahrrad und Auto-, beziehungsweise Lastwagenverkehr sicherer zu machen. Dritte Forderung: Durchgängige Fahrradwege, damit der Fahrradfahrer nicht ständig zwischen Fahrbahn, Fahrradweg und eventuell dem Gehweg wechseln oder auch Verkehrsschildern ausweichen müsse.

Mehr als 200 Unterzeichner hätten sich bisher mit dem Forderungskatalog solidarisiert

Ähnlich äußerte sich bereits im Mai der Fellbacher VCD-Ortsgruppensprecher Tadeusz Rzedkowski: Im Gegensatz zum Autoverkehr, der nach Mitteilung der Stadt „wieder ungehindert durchfahren“ könne, und Fußgängern, „die wenigstens einen schönen Platz bekommen“, fühlen sich die Radfahrer völlig im Stich gelassen“. Rzedkowski: „Radstreifen, die früher illegal zugeparkt wurden, zum Beispiel vor der BW-Bank, wurden zum Teil einfach in Parkplätze umgewandelt.“ Generell ist für Rzedkowski, der selbst per Pedelec von Schmiden nach Böblingen pendelt, das Fahren auf der Fahrbahn für routinierte Radler „nicht per se schlecht“. Aber: „Was ist mit älteren Menschen, Familien, Schulkindern oder Fahranfängern?“ Sie alle brauchen eine eindeutige und sichere Führung – ohne dicht überholende und drängelnde Autos. In Schmiden seien sie an mehreren Stellen gezwungen, zwischen Fahrbahn und abschnittsweise vorhandenen Radwegen hin und her zu wechseln – jeder Wechsel ein Risiko. „Unsichere Radfahrende weichen auf den Gehweg aus, wo sie wiederum zur Gefahr für die Leute werden, die zu Fuß unterwegs sind.“

Grundsätzlich ändern wird sich an der weitgehend fertiggestellten Gestaltung im Ortskern kaum noch etwas. Dennoch ist der promovierte Bauingenieur Maile als Initiator der Resolution mit der bisherigen Resonanz durchaus zufrieden: Mehr als 200 Unterzeichner hätten sich bisher mit dem Forderungskatalog solidarisiert. Ein Gespräch mit der Baubürgermeisterin Beatrice Soltys und Vertretern des Tiefbauamts habe auch stattgefunden: „Die Stadt hat sich kooperativ gezeigt, sie ist offen für das Thema“, äußert sich der 43-Jährige optimistisch, dass zumindest beim zweiten Bauabschnitt Verbesserungen erreicht werden können. Tempo 20 allerdings, so das Signal der Rathaus-Vertreter, sei rechtlich nicht möglich.