Die Oberstufe an baden-württembergischen Gymnasien wird reformiert. Das Kultusministerium will dafür 65 neue Lehrer einstellen. Das wird nicht reichen, sagt der Philologenverband und beziffert den Bedarf auf 200 bis 300 Stellen.

Stuttgart - Für die geplante neue gymnasiale Oberstufe in Baden-Württemberg sind deutlich mehr zusätzliche Lehrerstellen notwendig, als das Kultusministerium vorsieht, sagt der Philologenverband. Vom Schuljahr 2019/2020 an bekommen Schüler in Baden-Württemberg wieder größere Wahlmöglichkeiten bei ihren Leistungsfächern. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat für die neue Kursstufe 65 Lehrerstellen mehr einkalkuliert. Das werde nicht reichen, sagte Bernd Saur, der Landesvorsitzende des Philologenverbands dieser Zeitung. Der Interessenverband der Gymnasiallehrer schätzt den zusätzlichen Bedarf auf zwischen 200 und 300 Stellen. Wobei Saur eher an 300 als an 200 denkt. Die Aufstockung sei notwendig, damit auch kleine Gymnasien eine möglichst große Auswahl an Kursen bieten könnten. Gleichzeitig sollten die Leistungskurse nicht zu groß werden. Saur sagte, „die Kursgrößen dürfen nicht über 20 gehen“.

 

Eisenmann zeigte keinerlei Verständnis für die Forderung. Die Zahl von 300 Deputaten sei „völlig aus der Luft gegriffen“, die Berechnungen des Ministeriums seien auf den konkreten Bedarf bezogen. Auch sei der PhV von Anfang an in das Reformkonzept eingebunden gewesen und habe nie Kritik geäußert.

Zusatzangebote angeregt

Gleichzeitig regt Saur eine Debatte darüber an, wie die zusätzliche Stunde genutzt werden soll, die künftig für den Unterricht in den Leistungsfächern vorgesehen ist. Es wird drei Leistungsfächer geben, die fünfstündig unterrichtet werden. Bisher stehen bei den Oberstufenschülern in Baden-Württemberg fünf Kernfächer mit jeweils vier Wochenstunden auf dem Stundenplan.

Besonders im bisher verpflichtenden Kernfach Mathematik wirke sich die fehlende Differenzierung gegenwärtig negativ aus, meint Saur. Schwächere Schüler seien in dem vierstündigen Pflichtfach überfordert, leistungsstarke Mathematiker hätten dagegen keine echte Möglichkeit zur Vertiefung.

Das soll in Zukunft anders werden. Kultusministerin Eisenmann will, dass die zusätzliche Stunde in den Leistungsfächern für die „Vertiefung und Übung“ genutzt wird. Sie soll gleichzeitig den Schülern „mehr Raum für Spitzenleistungen ermöglichen“. Das Mehr an Unterrichtszeit soll Eisenmann zufolge „auch dazu beitragen, komplexe Themen systematisch und zusammenhängend vermitteln zu können“.

Die Gymnasiallehrer wollen in der fünften Stunde zusätzliche Inhalte unterbringen. „Man könnte in Latein einen weiteren Autor behandeln, in Mathematik Beweise vertiefen, in den Sprachen allgemein mehr Literatur lesen“, gibt Saur einige Anregungen für zusätzliche Wahlthemen. Sein Verband habe die Vorschläge zur Vertiefung jetzt dem Kultusministerium vorgelegt. Von der Antwort werde abhängen, wie viele weitere Stellen genau benötigt würden.

Gesellschaftswissenschaften stärken

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) macht sich für Nachbesserungen bei der Wahl der Schwerpunkte stark. Bisher ist lediglich vorgesehen, dass sich Gymnasiasten im sprachlichen oder im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich spezialisieren. Es ist nicht möglich, zwei Leistungsfächer aus dem Bereich der Gesellschaftswissenschaften zu wählen, beispielsweise Geschichte und Wirtschaft.

Die GEW kritisiert ferner, dass Gesellschaftswissenschaften nicht als dreistündige Basiskurse geplant sind, sondern nur zweistündig unterrichtet werden sollen. Dagegen sind für die Fremdsprachen, die Naturwissenschaften, für Deutsch und Mathematik jeweils drei Wochenstunden vorgesehen. „Die Stärkung der Gesellschaftswissenschaften wäre in schwierigen politischen Zeiten ein wichtiges Signal“, erklärt die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. Ähnlich hatten sich SPD und FDP geäußert. Die GEW macht sich auch für die Stärkung des künstlerisch-musischen Bereichs stark.

Mehr Zeit für Korrekturen und Vorbereitungen verlangt

Auf die Lehrer kommt mit der neuen Oberstufe ein höherer Prüfungs- und Korrekturaufwand zu. Es sind zwei mündliche Prüfungen vorgesehen. Der Philologenverband verlangt, dass Lehrer dafür einen „Prüfungsvorbereitungstag“ erhalten. Die GEW erwartet, dass die Vorbereitung der Prüfungen bei der Arbeitszeit berücksichtigt wird. Auch bräuchten die Lehrer ausreichend Zeit für die Korrektur der schriftlichen Arbeiten aus den Leistungsfächern.