Angelika Germann begeistert sich für Musik und Seelsorge. Die neue Pfarrerin will die Ludwigsburger Innenstadtgemeinde zur Regenbogenkirche machen.

Ludwigsburg - Die Pfarrerin der Ludwigsburger Stadtkirche Angelika Germann ist seit Jahresbeginn im Amt, aber noch immer muss sie improvisieren. In ihrem Büro sind die Handwerker zugange und das Mobiliar fehlt noch. Das treibe ihr zwar manchmal hektische Flecken ins Gesicht, aber andererseits fühle sie sich von den Kollegen gut unterstützt, meint die 1984 in Tübingen geborene Theologin: „Ich wurde hier so herzlich willkommen geheißen, wie ich in meiner vorherigen Stelle verabschiedet worden bin.“

 

Neugierig auf Menschen

Während eines Praktikums kurz vor Ende ihres Theologiestudiums fühlte sich Angelika Germann kurzzeitig versucht, statt einer Pfarrstelle vielleicht doch lieber eine Stelle in der Wirtschaft zu ergattern: „Da wird man wesentlich besser bezahlt“, sagt sie. Doch die Vorstellung, dafür ausschließlich in Büros herumsitzen und sich mit den immer gleichen Kollegen und den immer gleichen Problemen auseinander setzen zu müssen, vertrieb diese Gedanken ganz rasch wieder.

„Mich interessiert, was die Leute denken und fühlen“, sagt Germann. Der Pfarrerberuf biete dafür beste Voraussetzungen – vor allem, wenn es um die eher sensiblen Themen des Lebens geht: Beim Trau- oder beim Taufgespräch, aber auch beim Trauergespräch erfahre man sehr viel über die Menschen, sagt sie: „Man hat mit allen Generationen und mit allen Gruppen der Gesellschaft zu tun.“

Weil ihr das so wichtig ist, wollte sie zunächst in die Klinikseelsorge gehen. Dazu müsse man wissen, dass sie aus einem Arzthaushalt komme, sagt sie: Für sie hätten deshalb von klein auf Krankheiten ganz selbstverständlich zum Leben gehört:  „Krankheit und Tod sind für mich nicht mit Ängsten verbunden.“

Kirchliche Prägung dank Kinderchor

Dass sie sich dann doch um ein Gemeindepfarramt beworben hat, hat mit der Vielfalt der Tätigkeiten zu tun. Die Klinikseelsorge kann warten. Und dass sie sich auf die Stelle in Ludwigsburg beworben hat, wiederum mit der Musik. Genauer: Der Bedeutung, die hier der Kirchenmusik zugewiesen wird. „Das Requiem von Johannes Brahms oder das Magnifikat von John Rutter, das ist auch ein Form der Spiritualität“, schwärmt sie. „Für mich ist Bach der fünfte Evangelist.“ Wenn es ihre Zeit erlaubt, spielt sie selbst im Ensemble arcademia sinfonica die Bratsche. Am 15. Februar hätten die Ludwigsburger sie in der Stadtkirche auch in dieser Rolle erleben können – bei einer Aufführung von Joseph Haydns „Die Schöpfung“ – doch das Konzert musste abgesagt werden, weil der Dirigent erkrankt ist.

Die Liebe zur Musik ist bei Angelika Germann so tief verwurzelt, wie das Leben in einer Pfarrgemeinde. „Es gab bei uns in der Albert-Schweitzer-Gemeinde in Tübingen eine Kantorin, die nicht nur einen Kinderchor aufgebaut hat, sondern die auch die Musik auf das Können der Kinder abgestimmt hat.“ Zeitweise hätten 80 Kinder mitgesungen. Über diesen Chor sei man auch ganz selbstverständlich ins kirchliche Leben eingebunden gewesen.

Offen für Schwule und Lesben

„Später, am Uhland-Gymnasium, hatte ich einen hervorragenden Religionsunterricht“, sagt Germann. Dieser habe den Ausschlag für die Studienwahl gegeben. Sie sei zwar kirchlich geprägt, aber nicht pietistisch. Das hat vielen Gemeindemitgliedern in Bad Wildbad missfallen. Für Ludwigsburg aber ist das eine gute Voraussetzung, denn eine von Germanns ersten Aufgaben wird es sein, die Gemeinde für Homosexuelle zu öffnen. Die Stadtkirche soll Regenbogenkirche werden.