Es gibt keine Dozenten, keine Lehrbücher und keine Prüfungen. Wer hier studieren will, braucht Leidenschaft fürs Programmieren, selbstständiges Denken – und er sollte ein Teamplayer sein. Auf dem Heilbronner Bildungscampus geht im Frühjahr die Programmierschule 42 an den Start, als einer von zwei Standorten in Deutschland.

Heilbronn - Auf die alles umfassende Frage nach dem Leben, dem Universum und den ganzen Rest gibt es bekanntlich eine einfache Antwort: 42. Diese Replik jedenfalls spuckt der Supercomputer in Douglas Adams Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ aus, nachdem er einige Millionen Jährchen lang gerechnet hat. Die künftigen Studenten der Programmierschule 42 auf dem Heilbronner Bildungscampus dürfen sich vom kommenden Frühjahr an nicht so viel Zeit lassen mit ihrer Suche nach Antworten. Einen großen Wissensdurst und viel Neugier auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest brauchen sie aber schon, wenn ihr Studium gewinnbringend sein soll.

 

„Man muss sich fürs Programmieren begeistern“

Dabei haben sie nicht viel mehr als sich selbst. Es gibt keine Dozenten, keine Vorlesungen und Seminare, nur Programmieraufgaben und den Auftrag, dafür Lösungen zu finden. Gearbeitet wird projektbezogen und im Team; die Studenten lernen miteinander und voneinander. Der Nerd, der nächtelang einsam vor einem Bildschirm sitzt, habe ausgedient, sagt Dustin Krecisz. Der 24-Jährige hat sich bewusst für die Programmierschule 42 entschieden und ist für sein Studium in die Niederlande gezogen. In Amsterdam studiert zusammen mit gut 300 anderen, dabei sei Kreativität und Teamspirit gefragt. Und einen starken eigenen Antrieb: „Man muss sich schon fürs Programmieren und für Technologie insgesamt begeistern können“, sagt Krecisz.

Die erste Schule entstand in Paris

Die Programmierschulen gibt es seit sieben Jahren, die erste entstand 2013 in Paris als private und gebührenfreie Coding School auf Initiative des französischen Unternehmers Xavier Niel, einem der reichsten Franzosen, der unter anderem einen der größten Internetanbieter Frankreichs gegründet hat. Dort werden aktuell 4300 Studierende innerhalb von drei bis fünf Jahre zur IT-Elite von morgen ausgebildet. Das Beispiel hat schnell Schule gemacht. Weltweit gibt es mittlerweile 32 Ableger in 21 Ländern mit etwa 10 000 Studenten.

Deutschland war bisher ein weißer Fleck

Deutschland war bisher ein weißer Fleck auf der 42-Landkarte. Im Mai beginnen in Wolfsburg 150 Studenten mit dem Learning-by-doing, finanziert von der Volkswagen AG, die sich die Programmierschule im ersten Jahr 3,7 Millionen Euro und danach zwei Millionen Euro jährlich kosten lässt. In Heilbronn, wo ebenfalls 150 Studenten einen Platz ergattern können, wird die Schule von der Dieter-Schwarz-Stiftung finanziert, die sich über Geld traditionell vornehm ausschweigt. „Um unsere Gesellschaft und Wirtschaft von morgen zu stärken, brauchen wir mutige Konzepte und außergewöhnliche Innovationen“, sagt Reinhold Geilsdörfer, der Geschäftsführer der Stiftung. In Wolfsburg und in Heilbronn sollen später einmal jeweils bis zu 600 Studierende programmieren lernen.

Wer einen Platz will, muss durch die Piscine

Die Bewerbungsverfahren sind schon gestartet. Wer einen Platz ergattern will, muss sich beweisen – aber nicht mit einem Wust an Dokumenten oder Zeugnissen: Krecisz hat einen Maler unter seinen Kommilitonen und einen ehemaligen Obdachlosen, etwa die Hälfte aller 42-Studenten hatte vor Studienbeginn keinerlei Code-Erfahrung. Die Bewerber müssen lediglich älter als 18 sein und ein vierwöchiges Trainingscamp durchlaufen, die so genannte Piscine, dem französischen Wort für Schwimmbecken. Wer nach den vier Wochen am Beckenrand ankommt und nicht untergegangen ist, lernt zunächst die Grundlagen des Programmierens, bevor er sich spezialisiert. Studiert wird in Jahrgängen, zusammen kommt man in Heilbronn auf dem Bildungscampus, wo die Programmierschule die Räume der ehemaligen Innovationsfabrik bezieht. Die Zukunftsaussichten für die 42-Schüler sind wohl nicht schlecht: Sämtliche Absolventen haben nach Angaben der Schule bisher einen Job bekommen, 80 Prozent seien noch während des Studiums von Firmen verpflichtet worden.

Der Geschäftsführer ist selbst Quereinsteiger

Thomas Bornheim hat für die Schule in Heilbronn dem Silicon Valley den Rücken gekehrt. Der Geschäftsführer des Heilbronner Ablegers ist selbst ein Quereinsteiger: Studiert hat er Vergleichende Literatur, Geschichte und Philosophie, gearbeitet hat er in der PR- und Medienbranche und als Unternehmensberater, bevor er 14 Jahre lang für Google neue Produkte mit entwickelte. Was hat ihn nach Heilbronn gelockt? „Deutschland bietet in meinen Augen derzeit bessere Voraussetzungen, eine Innovation im Bildungsbereich zu wagen“, sagt Bornheim. „Es gibt hier mehr Menschen, die sich gesellschaftlich engagieren und ein tieferes Bewusstsein für gemeinschaftliches Handeln besitzen.“