Die sechsteilige Serie „Parfum“ ist eine höchst reizvolle und herausragend gut besetzte Variation des Bestsellers von Patrick Süskind.

Stuttgart - Die Serie sei „nach Motiven“ des Weltbestsellers „Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders“ entstanden, heißt es zu Beginn jeder Folge, aber das ist nur ein Bruchteil der Wahrheit. Die Autorin Eva Kranenburg hat Patrick Süskinds Geschichte für ihr Drehbuchdebüt komplett neu erfunden. Im Grunde hat sie nur das Kernmotiv übernommen, aber ansonsten ist alles anders: der zeitliche Rahmen, der Schauplatz, die Charaktere; selbst wenn das erste weibliche Opfer genauso rothaarig ist wie im Buch. Trotzdem spielt der Roman eine zentrale Rolle in Kranenburgs Geschichte, aber das enthüllt die Autorin erst später; zunächst wirkt es noch wie ein Augenzwinkern, wenn eine Dreizehnjährige in einer Rückblende Süskinds Buch liest.

 

„Parfum“ beginnt wie ein Krimi: Irgendwo am Niederrhein läuft ein kleiner Junge mit einer roten Haarsträhne zum Nachbarn; der schaut nach dem Rechten und findet die grausig entstellte Mutter des Kindes tot im Pool. Die kluge Fallanalytikerin Nadja Simon (Friederike Becht) braucht nicht lange, um herauszufinden, dass Nachbar Roman (Ken Duken) seit zwanzig Jahren ein Verhältnis mit der Frau hatte. Es handelt sich um eine Sängerin, die schon in jungen Jahren eine Sirene war und ihm wie auch einigen anderen Jungs aus einem katholischen Internat den Kopf verdreht hat. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch nicht für Roman, trotz seiner Ehe mit Jugendfreundin Elena (Natalia Belitski): Katharina hatte offenbar ein überaus reges Sexualleben; das macht die Arbeit für die Profilerin und Kommissar Köhler (Juergen Maurer) nicht leichter. Anlässlich der Beerdigung kommt die Clique von damals wieder zusammen: Moritz (August Diehl), ein Parfumeur; Butsche, (Trystan Pütter), ein zu aggressiven Ausbrüchen neigender Zuhälter; Daniel, genannt Zahnlos (Christian Friedel), heute noch der gleiche Außenseiter wie damals; und schließlich Roman und Elena.

Reizvoll verrätselte Geschichte

Der größte Reiz der von Philipp Kadelbach (Regie) und Jakub Bejnarowicz (Kamera) mit großer Kunstfertigkeit erzählten Geschichte liegt neben der herausragend guten Leistung des hochklassigen Ensembles in der Kombination von Gegenwart und Vergangenheit. Nadja wird bald klar, dass sie nach der Lösung des Falls in der Internatszeit der Beteiligten suchen muss, weshalb die Rückblenden immer wichtiger und umfangreicher werden. Damals ist ein Schüler spurlos verschwunden. Leider sind die Jugendlichen längst nicht so markant besetzt wie die Erwachsenen, es dauert daher eine Weile, bis gerade die Jungs Format gewinnen.

Mit einem einfachen Einfall sorgt Kranenburg dafür, dass sich Nadjas Privatleben mit der beruflichen Ebene vermischt: Sie hat eine Affäre mit dem verheirateten Staatsanwalt Grünberg (Wotan Wilke Möhring). Kadelbach nutzt das unter anderem für einen makabren Anschluss, als er von einem heimlichen Quickie in die Rechtsmedizin auf die tote Sängerin umschneidet. Davon abgesehen ist es irritierend, wie Grünberg regelmäßig die klugen Vorschläge der jungen Polizistin recht unwirsch als Zeitverschwendung abtut, wenn Zeugen zugegen sind.

Die eigentliche Qualität von „Parfum“ liegt in der reizvoll verrätselten und lange Zeit völlig undurchschaubaren Geschichte sowie der teilweise kunstvollen Kombination der beiden Zeitebenen, die auch optisch hochinteressant sind: Die Gegenwartszenen bestehen aus brillanten hochauflösenden Bildern, die Vergangenheit wurde auf 16-mm-Filmmaterial gedreht, was die von einem verklärend schönen Licht durchtränkten Bilder betont nostalgisch wirken lässt. Interessant ist auch die Musik von Fabian Römer und Michael Kadelbach, dem Bruder des Regisseurs. Die sechs Folgen machen große Lust, noch mal Süskinds Roman (erschienen im Diogenes-Verlag) zu lesen, um weitere Parallelen aufzuspüren. Der ZDF-Sender Neo zeigt die Serie ab dem 14. November 2018, 22 Uhr, jeweils in Doppelfolgen. Sie ist ab dem ersten Sendetermin komplett in der ZDF-Mediathek abrufbar.