Im Jahr 1845 wird eine stolze britische Arktisexpedition erst vom Winter, dann von einem Dämon bedrängt. Amazon bietet mit der Serie „The Terror“ nach dem Roman von Dan Simmons packenden Öko-Grusel.

Stuttgart - Auch am Nordpol gibt es Frühjahr und Sommer. Auf die hoffe man, befiehlt Sir John Franklin, der Leiter einer Expedition, die im Winter 1845/46 im Packeis festsitzt. Zwei Segelschiffe, der Stolz der britischen Marine, die „Erebus“ und die „Terror“, stehen unter Franklins Kommando. Beide wurden eigens aufgerüstet, um endlich die Nordwestpassage zu finden, den freien Seeweg in der Eiswüste des Nordens. „Erebus“ und Terror“ haben an Bug und Heck Stahlschürzen bekommen, um als Eisbrecher voranzukommen, und einen zusätzlichen Schraubenantrieb. In den Schiffsbäuchen warten umgebaute Lokomotivkessel auf ihren Einsatz. Erstmals stellen sie die Dampfkraft der Moderne in den Dienst der britischen Marine.

 

Die von 27. März an jede Woche mit einer neuen Folge bei Amazon Prime zu sehende Serie aber zeigt, was mit der verloren gegangenen Truppe geschehen sein muss. „Erebus“ und „Terror“ sitzen eingeklemmt wie Spielzeuge in Eismassen, die immer fester gegen die Rümpfe drücken. Täglich hacken die Männer Eis, um Druck von den Hüllen zu nehmen, die Wärme und Überleben garantieren.

Arroganz gegenüber der Schöpfung

Sir John wird von dem lang schon viel zu wenig beachteten, oft großartigen Ciarán Hinds (der Julius Cäsar aus der HBO-Serie „Rom“) so gespielt, dass man gleich selbst Haltung annehmen möchte: mit misslauniger, frustrierter Arroganz und einem reizbaren Bewusstsein der eigenen Autorität, mit herablassender Sturheit, die nicht bereit ist, Widerspruch und Zweifel zu tolerieren, weder von seinen Offizieren noch von der Natur. Die von Ridley Scotts Firma produzierte Serie erzählt von der menschlichen Anmaßung im Umgang mit der Schöpfung und reicht weit über ein Charakterdrama hinaus.

Wobei der Aufeinanderpall der Charaktere durchaus ständig für Spannung sorgt. Der Kapitän der „Terror“ ist der arktis-erfahrene Francis Crozier (Jared Harris, dem man einen ganzen Abend lang beim Brüten über Seekarten und Brandyglas zuschauen könnte). Crozier ist skeptischer und zögerlicher als Franklin. Der deutet Vorsicht als Verzagtheit und Pessimismus als Charakterschwäche. „The Terror“ zeigt den Aufeinanderprall von Führungskonzepten, mit feinen Dialogen, deren Synchronisation man nach Amazons Debakel mit der Eindeutschung der Serie „The Looming Tower“ etwas zaghaft entgegen blickt.

In Eis und Finsternis

Anfangs behält Franklin recht. Schiffe und Mannschaften überstehen den ersten Winter. Aber dann taut das Packeis nicht auf, „Erebus“ und „Terror“ sitzen weiter fest, und Crozier glaubt nicht, dass man einen weiteren Winter einfach aussitzen kann. Schon als ganz rationale Geschichte über die Schrecken des Eises und der Finsternis wäre dies sehenswert.

Aber „The Terror“ ist die Verfilmung eines Romans von Dan Simmons, einem Spezialisten für SF und Horror, und der verdichtet die Natur des Nordens und die Kultur der Inuit, die beide von vielen Expeditionsteilnehmern nicht ernst genommen werden, zu einem Schreckwesen, das die Schiffe umlauert. Nur kurz kann man es für einen großen Eisbären halten. Dies ist auch ein übersinnlicher Öko-Rachetriller.

Nicht pedantisch, aber packend

Die in den USA vom Studio AMC („The Walking Dead“) in Auftrag gegebene Serie verzichtet zwar auf ganz pedantischen Naturalismus. Den Darstellern stehen nicht dauernd Atemwölkchen vor dem Mund, und im Bauch der Schiffe war es vermutlich noch um einiges dunkler als auf diesen Bildern. Auch wird Simmons’ Roman viel früher viel unheimlicher. Aber man wird trotzdem hineingezogen in die Verlorenheit von Männern, die sich zu weit vorgewagt haben, die zu viel Selbstvertrauen und zu wenig Demut hatten. Im Untergang einer Expedition spiegelt sich hier vielleicht der kommende Untergang unserer Lebensart. Amazon Prime,
ab 27. März 2018 jeden Dienstag neue Folgen