SAP krempelt die Technologie seiner Software für Unternehmen um. Eine schnelle Datenbank soll zum Standard werden, an den sich die Konkurrenz anpassen muss. Doch für die Kunden bedeutet das ein Umdenken, zu dem nicht alle bereit sind.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Hasso Plattner ist auf der Bühne in New York ganz in seinem Element gewesen. Eine halbe Stunde lang konnte der 71-jährige Aufsichtsratschef des deutschen Softwarekonzerns bei einer der größten SAP-Produktpräsentation der vergangenen Jahre über eine Revolution referieren, die er selbst vor etwa acht Jahren an dem nach ihm benannten Forschungsinstitut der Universität Potsdam angestoßen hat. Unter dem Namen Hana hat der Weltmarktführer für Unternehmenssoftware ein Datenbanksystem entwickelt, das nun die ganze Firmen-IT umkrempeln soll.

 

Die jetzt unter dem Namen S/4 Hana präsentierte Software stellt das Angebot von SAP nach 23 Jahren auf eine neue technologische Plattform. Diese soll für das kommende Jahrzehnt bei der Firmen-IT den Standard setzen. So wie Microsoft mit seinem Windows-Betriebssystem Mitte der achtziger Jahre den zuvor führenden Anbieter IBM zur technologischen Anpassung zwang, will auch SAP seine Wettbewerber dazu bringen, sich an seine schnelle Datenbanktechnologie anzuhängen – oder selbst abgehängt zu werden. „Wir haben jetzt eine Datenverarbeitung mit der Antwortzeit null“, sagte Plattner. Die Entwicklung sei ein Kraftakt gewesen: „Vor ein paar Jahren haben Skeptiker nicht geglaubt, dass wir die 400 Millionen Zeilen unserer Programmcodes umschreiben können. Aber ich habe gesagt: Wir müssen das tun.“

SAP will mit seiner Datenbank neue Standards setzen

SAP hat bisher seine Datenbank, die nach eigenen Angaben von den Wettbewerbern noch nicht kopiert werden konnte, in den vier Jahren seit der Markteinführung an bestehende Softwarekomponenten nur angedockt. Künftig bildet das System das Herz des Angebots. Das damit verbundene Versprechen ist groß: schneller Datenzugriff, minimaler Ressourcenbedarf, eine Echtzeitauswertung von Informationen, die bisher in den Firmen nur mühsam aus den unterschiedlichsten Quellen gehoben werden konnten – und nicht zuletzt eine Benutzerführung, die an der Übersichtlichkeit von moderner mobiler Konsumelek-tronik orientiert ist. „Sie könnten die Datenprozesse eines großen Unternehmens von ihrem Smartphone aus steuern“, sagte Plattner über den enorm komprimierten Daten-Fußabdruck des neuen Systems, der beispielsweise bei einem von ihm skizzierten Fallbeispiel von 600 Gigabyte auf acht Gigabyte schrumpfte.

Doch die Kunden zwingt SAP damit zu einem großen Sprung: Wer sich auf das neue System einlässt, kann seine bisherigen Datenbanken von Oracle oder IBM, die bisher häufig zusammen mit anderer SAP-Software eingesetzt wurden, nicht mehr verwenden. Die bisherige Lizenzsoftware will SAP zwar noch bis 2025 warten und aktualisieren – aber wer neu bei SAP einsteigt, muss sich auf das neue System einlassen. Die alte Software wird nicht mehr angeboten, wenngleich bestimmte Kundensegmente, die Spezialprogramme benötigten, wie etwa die Öl- und Gasindustrie, erst im Laufe der Zeit umgestellt werden.

Das neue Angebot sei nicht teurer, verspricht der SAP-Datenbank- und Technologieexperte Rolf Schumann. Es könne auch Schritt für Schritt als Ablösung der bisherigen Software eingeführt werden, und die gerade im deutschen Mittelstand beim Thema Internetcloud oft skeptischen Kunden könnten die IT und ihre Daten auch in den eigenen Händen belassen.

Das neue Angebot soll die Kunden auch in die Cloud locken

Doch SAP macht keinen Hehl daraus, dass das neue System auch als Lockmittel dienen soll, die Kunden zum Sprung in die Internetcloud zu motivieren. „Es ist auch ein Schritt, um die eigenen Geschäftsprozesse ganz neu zu denken, auf den heutigen Stand zu bringen und für künftige Anforderungen fit zu machen“, sagt Schumann. Das sei sicher für manche Firmen eine Herausforderung.

Das Echo bei der deutschen Interessenvertretung von SAP-Nutzern war deshalb grundsätzlich positiv, aber auch gedämpft. „Das Produkt eignet sich für visionäre Unternehmen beziehungsweise Vorreiter, für die innovative, abgebildete Geschäftsprozesse einen großen Wettbewerbsvorteil bedeuten“, sagt Marco Lenck, der Vorstandsvorsitzende der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe DSAG: „Für den Großteil der Unternehmen dürfte das Produkt noch Zukunft bleiben.“

Die Börse reagierte auf die Präsentation verhalten optimistisch. Der SAP-Kurs lag am Mittwoch am Ende um 0,6 Prozentpunkte besser als der Dax. Bei der Vorstellung der Bilanz für 2014 hatten die Investoren verschreckt darauf reagiert, dass SAP seine Gewinnziele kassierte. Nun wird mit der neuen Software klar, wofür SAP einen Teil der Gewinne opfert. „Die Entwicklung von S/4 Hana ist auch ein Beispiel dafür, wie wir unsere Erträge nachhaltig in die Entwicklung neuer Produkte investieren“, sagt Schumann.