Die Intendantinnen des Stuttgarter Theaters Rampe, Marie Bues und Martina Grohmann, haben ihr Programm für die Spielzeit 2020/21 vorgestellt.

Stuttgart - Eigentlich, sagt die eine Intendantin, Martina Grohmann, ist so viel gar nicht anders. Klar, man müsse jetzt auf Abstände und auf Hygiene achten. „Aber wir stellen seit jeher die historischen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen des Theaters auf den Prüfstand und versuchen, neue Formen und Strategien zu entwickeln – das Coronavirus hat diese Haltung nur noch verstärkt.“ Auch deshalb habe man für die kommende Spielzeit im Stuttgarter Theater Rampe das Motto „Laufende Inventur“ gewählt. Welche verborgenen Strukturen, so die Frage dahinter, macht die Pandemie gerade sichtbar?

 

Die zweite Intendantin Marie Bues ist, weil sie gerade in Hannover inszeniert, bei der Vorstellung des Spielplans für die beginnende Saison im Theaterfoyer nur digital über Zoom zugeschaltet. „Von Fall zu Fall“, ergänzt sie, wolle man „die Bedingungen von Versammlungen und Themen im Theater neu definieren“ – und außerdem erkunden, „welche räumlichen und digitalen Erweiterungen wir brauchen, um sichtbar zu bleiben“.

Saisoneröffnung mit „Norm ist Fiktion #5/1“

Traurig: Die Theaterbar Rakete, lebendiger Ort des Austauschs zwischen den Künstlern wie zwischen Künstlern und Publikum, bleibt noch geschlossen. Aber das Theater selbst beginnt – mit Performer-Prominenz. Zur Saisoneröffnung am 3. Oktober setzt das Stuttgarter Künstlerduo NAF (Nana Hülsewig und Fender Schrade) gemeinsam mit den Musikern Hannah Mehler und Tom Heinzer seine 2015 begonnene Reihe „Norm ist Fiktion“ fort (ein zweiter „Spielblock“ folgt im Februar). Im Mittelpunkt des Abends, bei dem das Bühnen- und Kostümbild durch eine (auch vom Publikum) begehbare Ausstellung ersetzt wird, steht ein sechs Meter langer Klavier-Synthesizer mit 392 Tasten. Verschiedene Kunstgenres – Videos, Gemälde und Skulpturen, Performance, Theater, Musik – verschmelzen.

In der Performance „Stress – ein sinnliches Spektakel“ der Gruppe CIS (Premiere am 30. Oktober) geht es um Zustände von Anspannung, Verhärtung und Abgrenzung. Konzentration erzeugt das architektonische Setting, ein Mikro-Apartment; die Untersuchung des Verhältnisses von Körper und Raum passt in Corona-Zeiten. Mit einem von vier „Laboren“ beginnt am 11. November das neue Projekt des Duos Herbordt/Mohren. Die Akten, auf denen die im Projekt diskutierte und inszenierte Gründung einer neuen Forschungsgesellschaft fußt, gibt es wirklich. Sie lagern im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, sind mit der Aufschrift „Spinner!“ gekennzeichnet und enthalten abgelehnte Vorschlägen zu Institutsgründungen: ein europäischer Mütterrat, Formeln für eine Stabilisierung des Weltfriedens.

Kooperation mit dem „Supernationaltheater Frauheim“

Ein weiteres spannendes Projekt entsteht in Kooperation mit dem Nationaltheater Mannheim: Das Stück „Wounds are forever“ der Autorin und Performerin Sivan Ben Yishai wird dort (Yishai nennt das Haus launig „Supernationaltheater Frauheim“) am 30. Januar uraufgeführt und feiert am 3. März seine Stuttgarter Premiere: eine rasante, sehr körperliche Reise in die jüdische Geschichte und Gegenwart mit zahlreichen, rasch wechselnden Schauplätzen. Die Regie übernimmt Marie Bues – ebenso wie bei Emmy Karhus „Princess Hamlet“ (Premiere: 25. März). Dieses Stück, so Martina Grohmann, sei nicht nur eine feministische „Hamlet“-Überschreibung, sondern auch „die erste Auseinandersetzung der Rampe mit einem klassischen Stoff“ – noch ein Beitrag zur „laufenden Inventur“.

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