Ganz kampflos will sich das öffentlich-rechtliche System dem Vorwurf nicht ergeben, es beriesele nur noch mit Vorhersehbarem die Hochbetagten. Die Reihe „Filmdebüt im Ersten“ bietet junge deutsche Produktionen.

Stuttgart - Irgendwann denkt man auch als Film- und Fernsehmacher über Sicherheiten nach, möchte vielleicht ein Haus für die Lieben bauen. Dann entscheidet man sich für die Formate des Marktes, für Fernsehkrimis beispielsweise, bei denen Blaupausenbücher festlegen, in welcher Minute spätestens die erste Leiche daliegen muss.

 

Doch die wenigsten Autoren und Regisseure starten so pragmatisch in ihren Beruf. Das führt vom 6. Juni an wieder die ARD-Reihe „Filmdebüt im Ersten“ vor Augen, die deutsche Nachwuchsproduktionen zeigt, fünf Wochen lang jeweils am Dienstag und Mittwoch auf der Spätschiene.

Dabei sind die ausgewählten Filme keineswegs kantige Formexperimente oder wüste Provokationsorgien. Aber sie kreisen auch nicht nur fröhlich um Liebe, Party, Urlaubsspaß. Gleich der Auftaktfilm, der fast zur Gänze in Stuttgart gedrehte „Ohne Dich“ (6. Juni, 23 Uhr) von Alexandre Powelz, erzählt von Sterben, ungewollter Schwangerschaft, unerfüllter Liebe und einer Depression – unter anderem mit Katja Riemann, die auch keinen Primetime-Sendeplatz mehr sicher hat.

Märchen aus dem Wirtschaftswunder

Bei „Dolores“ (21. Juni, 0.35 Uhr) von Michael Rösel kann man die Zaghaftigkeit beim Terminieren immerhin ein wenig besser verstehen. Dieser Film handelt von einem tüfteligen Modellbauer (Udo Schenk), der einer mondänen Filmdiva (Franziska Petri) verfällt und ein so genaues Modell ihres Hauses baut, dass wunderliche Kraftlinien zwischen Miniatur und Original entstehen. Dabei schwebt „Dolores“ zwischen poppiger Satire, surrealem Krimi und Wirtschaftswundermärchen, ist also optisch und atmosphärisch interessant. Aber man bewegt sich eben auch nicht auf dem festen Grund verlässlicher Genrepflichterfüllung.

Natürlich hat „Filmdebüt im Ersten“ auch weniger verschrobene Krimis zu bieten. In Alexander Costeas „Die Maßnahme“ (4. Juli, 22.45 Uhr) soll ein Polizist einem extremen Außenseiter ein Mordgeständnis abpressen, in Peter Bösenbergs Thriller „Die Abmachung“ (5. Juli, 0.30 Uhr) kommt es zum Machtkampf in einem brisanten Wohn- und Arbeitsgeflecht zwischen einer verwitweten Bauherrin und ihrer Tochter und dem nebst Sohn bei ihr einziehenden Handwerker. Aber ob nun aus pubertären Verwirrungen ein Lügengeflecht entsteht wie in Sebastian Kos „Wir Monster“ (20. Juni, 22.45 Uhr) oder ob ein paar Menschen im Sommer 1943 in Polen versuchen, in Krieg und Rassenwahn private Schutzinseln zu schaffen wie in Michael Rogalskis „Unser letzter Sommer“ (13. Juni, 22.45 Uhr) – ganz sicher sein darf man nie, dass sich jede kommende Szene mit ein wenig TV-Erfahrung vorhersagen lässt.

Keine Unruhe bei Netflix

Andererseits muss man so eine Reihe jedoch als die freieste Spielwiese der jungen Wilden im öffentlich-rechtlichen System sehen, als Schaufenster dessen, was das alte lineare Fernsehen einem zu den Kino- und Serienangeboten von Netflix, Amazon, Sky und spezialisierteren Konsorten abwandernden Publikum als Bindungsangebot macht. Und da wird das diesjährige Aufgebot junger Frische (das meist aus den Produktionsjahren 2014 und 2015 stammt) den Planern der Streamingdienste wohl keine unruhigen Nächte verschaffen.