David E. Kelley hat uns „Ally McBeal“ und „Boston Legal“ beschert. Jetzt lässt er in „Goliath“ Billy Bob Thornton einen heruntergekommenen Anwalt spielen, der sich mit seiner ehemaligen Kanzlei anlegt.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - David E. Kelley hatte den Ruf, der Mr. Primetime des US-Fernsehens zu sein. Auf seine Serien konnten sich alle einigen. Und dass es in seinen Produktionen immer um Anwälte ging, störte die Zuschauer und Kritiker nicht wirklich. Zu gut waren die Storys, die er erzählte, zu raffiniert waren Drama und Komödie ineinander verwoben. Und zu skurril, zu exzentrisch waren die Figuren, die sich Kelley ausdachte. Da wäre zum Beispiel die sich ständig in Tagträumen verheddernde Ally McBeal (Calista Flockhart) aus „Ally McBeal“ (1997-2002) oder der herrlich selbstgefällige Denny Crane (William Shatner) aus „Boston Legal“ (2004-2008).

 

Doch zuletzt lief es nicht mehr ganz so gut für den Mann, der in Princeton und an der Boston University Jura studiert hat. Und das, obwohl er mit seiner letzten großen Anwaltsserie „Harry’s Law“ (2011-2012) eigentlich alles richtig machte, eine Oscar-Gewinnerin (Kathy Bates) die Hauptrolle spielen und sich wieder nichts als kuriose Figuren und Konstellationen einfallen ließ: Die Kanzlei der sperrigen Anwältin Harry Korn befindet sich in einem Schuhladen. Nach nur zwei Staffeln setzte der US-Sender NBC „Harry’s Law“ allerdings ab – mit der Begründung, dass die Serie eine Zuschauerschaft anlocke, die viel älter sei als die Zielgruppe, die sich der Sender für seine Werbekunden wünscht.

David gegen Goliath: Ein Anwalt gegen eine Großkanzlei

Das war ein Tiefschlag für den erfolgsverwöhnten TV-Produzenten und Ehemann von Michelle Pfeiffer, der auch hinter den Serien „Picket Fences“, „Chicago Hope“ oder „The Practice – Die Anwälte“ steckte. So ist es kein Zufall, dass der 60-Jährige sein Serien-Comeback „Goliath“ jetzt nicht an einen der traditionellen TV-Sender verkauft hat, sondern an den Streamingdienst Amazon Prime.

Auch die Serie selbst erzählt von einem Comeback. Billy McBride (Billy Bob Thornton) arbeitete früher in einer dieser riesigen Anwaltskanzleien, die man aus „Ally McBeal“ oder „Boston Legal“ kennt. Doch McBride ist nicht nur ein brillanter Anwalt, sondern auch ein Säufer, der sein Temperament nicht im Griff hat. Er landet ganz unten. Und wer als Anwalt in den USA dort angekommen ist, wird zum „Ambulance Chaser“ und lauert Rettungswagen auf, in der Hoffnung, Unfallopfer als Klienten zu gewinnen. Doch dann stolpert McBride über einen Fall, mit dem er nicht nur seinen Ruf wiederherstellen, sondern sich auch mit seinem alten Partner Donald Cooper (William Hurt) anlegen könnte.

Ein Acht-Stunden-Billy-Bob-Thornton-Film

Billy McBride ist aber keine upgedatete Ally McBeal. Der leichte, spielerische Ton, der früher die Produktionen von David E. Kelley prägten, ist hier einem mürrischen Sarkasmus gewichen. Und weil Amazon „Goliath“ keine Werbeunterbrechungen aufgezwängt und Kelley für jede Episode statt nur vierzig Minuten über eine Stunde Zeit zum Erzählen hat, kann das Anwaltsdrama eine ganz andere Dramatik und Ernsthaftigkeit entwickeln. Oder, wie Morgan Wendall, der Chef der Amazon-Seriendramen in einem Interview gesagt hat: „Man kann das einfach auch als einen Acht-Stunden-Billy-Bob-Thornton-Film verstehen.“