Als deutschlandweit erstes Konzept dieser Art kann man bei Sitt Wein in der Tübinger Straße 100 offene Weine verkosten. Es handelt sich um einen Hybrid aus Weinbar und -handel.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Es gibt viele Möglichkeiten, Wein zu probieren – und anschließend zu kaufen. Am schönsten ist es natürlich immer direkt beim Winzer vor Ort. Aber auch in Weinhandlungen oder ausgewählten Supermärkten kann man verkosten, teils aus sogenannten Weindispensern, in denen die offenen Weine mit Argon-Gas mindestens 21 Tage frisch gehalten werden können.

 

Im großen Stil gibt es so etwas jetzt im Stuttgarter Süden – als erstes Konzept dieser Art in Deutschland. Nach zweieinhalb Wochen Soft-Opening-Phase ist Sitt Wein in der Tübinger Straße nun im regulären Betrieb. 100 Weine kann man dort verkosten: als Probierschluck oder in 75-Milliliter- und 150-Milliliter-Portionen.

80 Prozent internationale, 20 Prozent regionale Weine

Das Sortiment geht in die Breite und auch Tiefe. 80 Prozent sind international, 20 Prozente der Weine aus der weiteren Region, sagt der Inhaber Nicolas Sigloch (33), der nach eigenen Angaben bei seiner Auswahl auch besonderen Wert auf naturnahen Anbau legt. Sigloch hat in Heilbronn Weinbetriebswirtschaft studiert und war im Vertrieb großer Weinunternehmen. Und er war in Asien Managing Director für By the Glass International, einem niederländischen Unternehmen, das aus einer Zusammenarbeit mit Heineken hervorgegangen ist und diese spezielle Ausschankklimatechnik entwickelt hat.

An der Tübinger Straße 91 funktioniert das so: Man bekommt eine Guthabenkarte, die man in den Klimaschrank steckt, sucht sich seinen Lieblingswein aus und drückt die Taste. Schon in der Testphase seien aus neugierigen Besuchern viele Stammgäste geworden, sagt Sigloch. Dabei hat er beobachtet: „Der Schwabe lädt sich 20 Euro auf die Karte, der Südländer 50 Euro, und der Amerikaner gerne auch 100 Euro.“ Ein ganz besonderer Gast habe dabei die Cuvée „Beurolo“ kreiert. Er mixte sich selbst einen Schillerwein aus einem „Mal anders“-Riesling von Jochen Beurer und einem Barolo Vigna la Rosa von Fontanafredda, den es in drei verschiedenen Jahrgängen gibt, das große Glas zu 34,55 Euro. Aber Sigloch will kein Bekehrer sein. Er freue sich über jeden Gast, „vom Voll-Laien bis hin zum Voll-Spezialisten“.

Brot aus der Eselsmühle, Käse aus Geifershofen

Kleinigkeiten zur Stärkung zwischendurch gibt es auch. Das Brot kommt aus der Eselsmühle, der Käse von der Dorfkäserei Geifershofen, Schinken und Salami von der Metzgerei Munz in Feuerbach. An Weinen hat Sigloch, der auch einen Ornellaia in vier Jahrgängen anbieten will, mehr als 160 Positionen, mit denen er das Programm wechseln kann. „Survival of the fittest“, nennt er das Prinzip. Und er bekomme täglich Anfragen von Winzern, die dabei sein wollen. Wie zum Beweis war bei unserem unangemeldeten Besuch der Newcomer des Jahres im Gourmetmagazin „Falstaff“, Maximilian Kusterer aus Esslingen da, um Sigloch sein Sortiment vorzustellen. Eine Flasche von Kusterers Mélac fand gleich einen Abnehmer. Der Verkaufspreis bei Sitt Wein orientiert sich am Marktdurchschnitt, der Verkostungspreis liege „weit unterhalb der Kalkulation in der Gastronomie“, so Sigloch.

An Tischen, Stühlen und Weinfässern spielt sich vor diesem „Hybrid aus Weinbar und Weinhandel“ auch viel auf der Straße ab. Sigloch schwärmt vom „guten Zusammenhalt in der Nachbarschaft“ und vom „besonderen Flair im Süden“. Unter der Woche muss er allerdings um 22 Uhr schließen. Und wie sich das in Corona-Zeiten mit der Verkostung drinnen einpegelt, muss sich auch noch weisen.