Wer ist der neue Beigeordnete Jürgen Katz, der erfolgreicher Geschäftsführer war?

Weil der Stadt - Elektro- und Stromkabel werden gerade noch verlegt, und die Computer angeschlossen. Umfangreich umgebaut hat die Stadtverwaltung das Erdgeschoss ihres Merklinger Rathauses in den vergangenen Monaten. Jetzt geht es ans Einrichten, damit das Ordnungs-, Standes- und Friedhofsamt Anfang November einziehen können.

 

Nicht nur unten, an der Basis, stehen derzeit die Umzugskartons rum. Zwei Stockwerke darüber richtet sich gerade der neue Chef im Merklinger Rathaus ein. Nüchtern und fast leer ist das kleine Büro noch, kaum Platz für den Schreibtisch ist darin. Jürgen Katz, der da sitzt, ist kein unbeschriebenes Blatt in Weil der Stadt, und eine große und interessante Überraschung ist es, dass er sich in seinem solch kleinen Büro einer Stadtverwaltung einquartiert.

Zuständig für Bauhof und Bauamt

Denn jetzt sitzt da einer, der Ovid zitiert und für Bauhof und Bauamt zuständig ist. Einer, der nie einen Uni-Hörsaal von innen gesehen hat, und dann Geschäftsführer eines Fachbüros mit 110 Mitarbeitern wurde. Einer, der mit 57 Jahren auf einem Posten beginnt, den viele, 20 Jahre jüngere Nachwuchs-Verwaltungsleute als Sprungbrett für höhere Weihen sehen.

Warum nur? „Ich habe jetzt Lust auf etwas Neues“, hatte er in seiner Bewerbungsrede Ende Juni dem Gemeinderat gesagt. Jetzt ist er gewählt, seit 1. Oktober im Amt, und kann sicherlich die ganze Wahrheit erzählen. Katz lacht. „Die lautet auch nicht anders, als ich sie vor der Wahl erzählt habe“, sagt er. Als Susanne Widmaier, seine Vorgängerin, zur Bürgermeisterin von Rutesheim gewählt worden war, sei er ins Nachdenken gekommen. Hat sich mit der Familie besprochen, eine Pro- und Contraliste schrieben, hin und her überlegt.

„Auf der Pro-Seite stand dann, dass ich meine eigene Stadt mitgestalten kann“, sagt er. Denn „Stadt“ und „Gestalten“, das sind die beiden roten Fäden im Leben von Jürgen Katz, und im Nachhinein betrachtet, sieht es fast so aus, als ob diese beiden Fäden nie was anderes vorhatten, als einmal in dem kleinen Beigeordneten-Büro im Merklinger Rathaus zusammenzu- finden.

Fast 20 000 Einwohner und mittendrin ein wunderschöner Marktplatz – das klingt nach Weil der Stadt, so sieht aber auch Freudenstadt aus, als Jürgen Katz dort 1961 zur Welt kommt. „Ich finde, das ist die ideale Größe einer Stadt“, sagt er heute. Sein Vater war Bahnhofsvorsteher, eine Kindheit zwischen Dampfloks und Zügen könne er nur empfehlen, erzählt er und schmunzelt. 1981 macht er sein Abi, muss dann zur Bundeswehr.

„Bei der Armee sind wir Abiturienten auf gleichaltrige Leute getroffen, die schon eine Lehre hinter sich hatten“, erinnert er sich. Die schon was geschafft hatten, während er selbst, wie Jürgen Katz es formuliert, keinen Nagel gerade in die Wand schlagen konnte: „Ich erinnere mich zum Beispiel an die Zimmerleute, das waren schon coole Typen.“ Zurück in Freudenstadt nimmt das Leben von Katz daher die erste, überraschende Wende. Er geht nicht an die Universität, sondern zu einer Gärtnerei, macht eine Ausbildung zum Blumen- und Zierpflanzengärtner. Noch heute sieht man ihm seine Begeisterung an, wenn er von der Obstbaumblüte erzählt: „Das junge Grün, und dazu die weißen Blüten, das ist ein sensationell schöner Anblick.“

Nach der Lehre folgt die nächste Wendung, die ihn in die hiesige Region verschlägt. In Böblingen heuert er als Geselle bei einer Gartenbaufirma an, baut zum Beispiel an der Landesgartenschau 1990 in Sindelfingen mit. „Das hat richtig Spaß gemacht“, erinnert er sich, und: „Relativ schnell war ich dann auch Baustellenleiter.“ Dennoch stellt er sich immer wieder die Frage, ob er nicht doch noch ein Studium dranhängen soll. In der Fachschule für Gartenbau in Hohenheim findet er den goldenen Mittelweg und ist zwei Jahre später Gartenbautechniker. Danach geht Jürgen Katz nicht, wie die meisten Mitschüler, zurück zu einer Gartenbaufirma, sondern ergattert eine Stelle in dem Büro des renommierten Leonberger Landschaftsarchitekten Arno Sighart Schmid.

Schneller Aufstieg in Leonberg

Er ist dort Bauleiter, genauso wie die Kollegen, die von der Hochschule kommen, und dort gelernt haben, Pläne zu zeichnen. „Aber die kamen dann und wollten wissen: Und, wie baut man das jetzt?“, erinnert er sich. Quasi automatisch befasst er sich darum auch mit dem Thema Planung. Federführend ist er zum Beispiel bei der Neugestaltung des Marktplatzes in Rottenburg dabei. „Solche Plätze wirken durch die sie begrenzenden Häuser“, erklärt er. „Der Besucher sollte dann das Gefühl haben, dass der Belag dazu passt.“

Da horcht der Zuhörer natürlich auf. Markplatzgestaltung? Auch in Weil der Stadt ist das ein brennendes Thema, spätestens seit der Gemeinderat 2007 einen Architektenwettbewerb beauftragt hatte und seitdem über die Umsetzung dieser Pläne diskutiert. „Der momentane Platz ist natürlich keine adäquate Gestaltung zu der historischen Bausubstanz“, beurteilt Katz das Weiler Zentrum.

Mit dem fachmännischen Blick schaut er auf die Probleme in der Stadt, jedenfalls zu den Themen Bauen und Wohnen, für die er hauptsächlich zuständig sein wird. Die hat er sich draufgeschafft, als er dann 2002 zur „LBBW Immobilien Kommunalentwicklung“ (kurz: KE) wechselt, ein Büro mit 110 Mitarbeitern, das Neubaugebiete plant, Stadt- und Dorferneuerungen organisiert, Städte bei strategischen Fragen und Bürgerdialogen berät. Kurz vorher hat er noch per Prüfung den Titel des Landschaftsarchitekten erworben.

Bei der KE ging es dann steil bergauf. Zwei Jahre später ist er Geschäftsbereichsleiter, seit 2011 Geschäftsführer. Ist Jürgen Katz eigentlich ein Karrieremensch? „Nein“, sagt er sofort, bremst dann die Sprechgeschwindigkeit ab und poetisch: „Wenn im Fluss des Lebens Möglichkeiten vorbeiziehen, hielte ich es für fahrlässig, nicht zuzugreifen.“

Katz greift zu, krempelt die KE einmal um, führt ein stressiges Managerleben und die KE in das Zeitalter des modernen Managements und der Digitalisierung, lebt dabei vor allem auf den baden-württembergischen Autobahnen zwischen dem Hochrhein und Mannheim. „Hier in Weil der Stadt bin ich näher am Bürger meiner Heimatstadt“, sagt er zu seiner neuen Stelle im Merklinger Rathaus.

Seit 1994 in Schafhausen

In Weil der Stadt knüpft sich noch ein roter Faden an. Seit 1994 lebt Katz mit seiner Frau und den beiden Kindern in Schafhausen, war 17 Jahre Vorsitzender des TSV und ist Gitarrist bei der Schafhausener Band „ Black Magic Sheep“.

Dazu liefert er noch einen typischen Katz-Satz: „Ich habe die romantische Vorstellung, dass Zivilgesellschaft nur funktioniert, wenn es Leute gibt, die sich engagieren.“ Das tut er, beruflich und privat, denn im Amt des zweihöchsten Repräsentanten einer Stadt fließt beides zusammen. Wenn dann alle Umzugskartons ausgepackt sind, geht die Arbeit richtig los.