Sven Hahn, der neue Citymanager, spricht im Interview über seine künftigen Aufgaben und seine Ziele. Er wolle keine tote Innenstadt.

Stuttgart - Sven Hahn, der neue Citymanager, definiert seine Rolle anders als seine Vorgängerin Bettina Fuchs. Er sieht sich als Netzwerker und will alle Player in der Stadt zusammenbringen. „Ich will keine tote Innenstadt“, sagt er.

 

Herr Hahn, warum hat die City-Initiative ausgerechnet Sie, einen Journalisten, zum neuen City-Manager gemacht?

Ich weiß, dass dies eine mutige Entscheidung ist, denn ich war bestimmt nicht der typische Kandidat für diesen Posten. Aber ich bringe Verständnis dafür mit, wie Themen politisch zusammenhängen und ich habe ein gutes Netzwerk in dieser Stadt. Damit die CIS erfolgreich arbeiten kann, muss sie politisch Gehör finden.

Was bringt das konkret?

Wenn ich zum Beispiel die Forderung aufstelle, dass mehr Menschen in die Innenstadt kommen sollen, dann bewege ich mich unweigerlich in Themen wie Mobilität, Infrastruktur oder Erreichbarkeit. Und das sind allesamt hoch politische Fragen.

Der neue Citymanager ist also ein reiner Netzwerker?

Zumindest ist mir bewusst, dass ich alleine viel weniger bewirken kann als mit vielen Verbündeten. Ich brauche immer Akteure, die mitspielen, um den Vereinszweck zu realisieren.

Wie lautet der Zweck?

Die Innenstadt zu beleben. Und dabei gilt es, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Interessen zu verbinden.

Hat sich in diesem Sinne der Auftrag des Citymanagers seit der Gründung der CIS vor 20 Jahren verändert.

Definitiv. Alleine schon durch die Digitalisierung. 1999 hat noch kaum jemand von Onlinehandel gesprochen. Die Herausforderungen haben sich verändert. Auch die Stadt ist gewachsen. Die Aufgabe ist in diesem Kontext noch wichtiger geworden, weil vieles einfach kein Selbstläufer mehr ist.

Was meinen Sie?

Ich meine die Qualität unserer Innenstadt. Ich arbeite für eine attraktive Stadt für Bürger, Besucher, Händler, Kulturtreibende, Gastronomen. Kurz: für jeden. Schauen Sie sich doch mal in Deutschland um. Sie werden überrascht sein, wie viel tote Innenstädte sie finden werden. Das will ich in Stuttgart nicht.

Treffen Sie nach den ersten vier Wochen Arbeit mit diesen Gedanken auf Wohlwollen und Unterstützung?

Ja, viele haben die Zeichen der Zeit erkannt. Doch es wird noch zu oft versucht, Interessen gegeneinander auszuspielen. Ich habe mich etwa über den Wahlkampfslogan „Kommerz statt Kultur“ gewundert. Wir sitzen in der Innenstadt doch alle im selben Boot. Ohne Händler, ohne Gastronomen und Dienstleister funktioniert doch auch Kultur in der Stadt nicht. Es schafft keiner alleine, es gibt viel mehr gemeinsame Interesse als getrennte. Dieses Bewusstsein will ich schärfen.

Der Handelsverband hat ein schönes Motto: Erfolg braucht Verbündete. Haben Sie Verbündete?

Jeder, der eine lebendige Innenstadt zum Ziel hat, ist unser Verbündeter. Denn wir brauchen und wollen alles das Gleiche. Und damit will auch etwas klarstellen.

Gerne, nur zu.

Wir dürfen hier nicht nur Stadtentwicklung für etwas mehr als 600 000 Stuttgarter betreiben. Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen. Stuttgart ist das Zentrum einer Region mit knapp drei Millionen Menschen. Und von diesen Menschen leben viele Betriebe in der Innenstadt. Diese Menschen kommen aber nicht wegen einem einzigen Angebot in die Stadt, sondern wegen der Mischung und Breite des Angebots. Also dürfen wir auch nicht nur für 600 000 Menschen Stadtplanung betreiben. Diesen Leuten müssen wir es möglichst einfach machen, zu uns kommen. Vielleicht künftig auch durch einen ÖPNV-Bonus für diejenigen, die hier einkaufen.

Neuer Citymanager, neue Formate? Oder wandeln sie weiter in den ausgetretenen Pfaden?

Mein Team und ich tüfteln an neuen Ideen. Aber ich bin erst vier Wochen da. Ich will einen vermeintlich alten Zopf erst kennen, bevor ich ihn abschneide.

Sind auch die langen Einkaufsnächte auf dem Prüfstand?

Da sprechen die Zahlen für sich. Hier zählen wir rund 100 000 Besucher mehr in der Innenstadt als an vergleichbaren Samstagen. Laut Handelsverband kaufen fünf Prozent davon etwas im Wert von 100 Euro ein. Das ist eine halbe Million Euro extra für den Handel. Es gibt allerdings auch eine zweite Rechnung.

Die wäre?

Es gibt viele Betriebe, auch unter unseren Mitgliedern, deren Kasse nicht an der Königstraße steht. Für die will ich auch etwas tun.

Und was genau?

Ich will dabei helfen, die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten darf - Immobilienleute, Händlern, Kulturschaffende, Politiker und viele andere –zu vernetzen damit sie voneinander profitieren. Zudem denken wir darüber nach, gezielt Teile der Innenstadt anzusprechen, denn die City besteht aus vielen verschiedenen Quartieren.

Die CIS feiert am Dienstag ihr 20-Jähriges. Wird es die City-Initiative auch noch in 20 Jahren geben?

Natürlich wird der Strukturwandel weitergehen. Viele Leute machen sich tatsächlich schon Gedanken, in welcher Form man eine Handelsfläche auch anders nutzen kann. Dadurch wird sich auch das Gesicht der klassischen Einkaufsmeilen verändern. Aber trotz des wachsenden Onlinehandels bleibt das Bedürfnis bei vielen Menschen, sich in der Stadt aufzuhalten und dort auch zu konsumieren. In einer Stadt gruppieren sich Gastronomie, Kultur und Dienstleister historisch betrachtet um den Marktplatz, daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Von daher wird die CIS auch noch in 20 Jahren eine wichtige Rolle spielen.

Der neue Citymanager Sven Hahn ist am 17. Oktober 1980 in Stuttgart geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Söhne und wohnt in Stuttgart. Studium der Amerikanistik und Germanistik in Stuttgart und in den USA an der Virginia Tech University. Magisterabschluss im Jahr 2008. Während des Studiums lange Jahre Mitglied der deutschen Nationalmannschaft der Leichtathleten. Mehrfacher Medaillengewinner bei Deutschen Meisterschaften im Kugelstoßen und Finalteilnehmer bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Studentenweltspielen. Sven Hahn war seit 2008 in verschiedenen Positionen für die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten tätig. Seit 2012 mit dem Spezialgebiet Stadtentwicklung, Immobilien, Einzelhandel und Wohnen.