Der Rems-Murr-Kreis baut seinen Fuhrpark umweltfreundlich um: Neben E-Autos und Pedelecs werden auch E-Roller angeschafft. Die Dienstfahrzeuge können für das interne Car-Sharing genutzt werden.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Waiblingen - Spontane Sympathiebekundungen erlebt ein Landrat eher selten. Nicht, dass man als oberster Chef von Bußgeldstelle und Abfallwirtschaft automatisch unbeliebt wäre. Doch eine Fangemeinde hat ein Verwaltungsleiter in aller Regel nicht. Und weil die Bürger ihn nicht direkt wählen, hält sich jenseits von Kreispolitik und Behördenleben auch der Bekanntheitsgrad in Grenzen.

 

Um so mehr dürfte sich der Rems-Murr-Landrat Richard Sigel gefreut haben, dass er neulich ein Kompliment für das neue Mobilitätskonzept des Landkreises erhalten hat. Mitten auf dem Zebrastreifen blieb ein Passant stehen, reckte anerkennend den Daumen in die Höhe und sagte: „Cool!“ Unterwegs war der Chef der Kreisverwaltung mit einem der sechs neu angeschafften E-Roller, mit denen der Landkreis seinen Fuhrpark ein Stückchen klimafreundlicher machen will.

Schicke E-Roller, Pedelecs und E-Autos hat das Landratsamt angeschafft

Sechs Exemplare der in schickem Schwarz lackierten Fahrzeuge hat das Landratsamt angeschafft und sie mit Namen wie Elmar, Emma und Erwin beschriften lassen. Neben den E-Rollern – Stückpreis etwas über 3000 Euro – hat der Landkreis auch zehn Pedelecs der Schorndorfer Manufaktur Remsdale und inzwischen 20 E-Autos in Dienst gestellt, um seiner Vorbildrolle in Sachen Klimaschutz gerecht zu werden.

Das Geld für die Anschaffung stammt zumindest teilweise aus einem Fördertopf des Bundes. Über das „Sofortprogramm Saubere Luft“ gab es einen 500 000-Euro-Scheck des Berliner Verkehrsministeriums – schließlich werden 15 Kilogramm CO2 eingespart, wenn man für eine 100-Kilometer-Strecke statt eines Autos mit Verbrennungsmotor ein Pedelec benutzt. Bei einem E-Roller sind es 13, bei einem E-Auto immerhin noch sechs Kilogramm.

Der neue Fuhrpark ist eine Kehrtwende

Für den Rems-Murr-Kreis stellt der umweltfreundliche Ausbau des Fuhrparks eine Kehrtwende dar. Für viele Arbeitsplätze in der Verwaltung war ein eigenes Auto vor wenigen Jahren noch ein Einstellungskriterium – für Dienstfahrten quer durch den Landkreis brauchte es schließlich das Privatfahrzeug. Dass so etliche alte Stinker in öffentlichem Auftrag unterwegs waren, warf neben Fragen nach dem Umweltschutz auch Zweifel an der Wirtschaftlichkeit auf. Bereits 2018 regte die Kreistags-CDU an, den Fuhrpark kritisch unter die Lupe zu nehmen. Schließlich summierte sich das für Dienstfahrten abgerechnete Kilometergeld auf mehr als eine halbe Million Euro pro Jahr.

Das gehört nun der Vergangenheit an: Neben Pedelecs und E-Fahrzeugen stehen für Dienstfahrten nun auch 68 ökologisch möglichst korrekte Autos mit Verbrennungsmotor zur Verfügung, das gute alte Fahrtenbuch ist Geschichte. Stattdessen wählt ein digitales Buchungssystem automatisch ein Elektroauto aus, wenn die Entfernung stimmt. Ziel des Landkreises ist laut Verkehrsdezernent Stefan Hein, dass drei Viertel aller Dienstfahrten künftig mit Fuhrpark-Fahrzeugen abgedeckt sind. Auch deshalb wird es künftig nicht mehr für jeden Beschäftigten einen Stellplatz geben. Beim Verwaltungsbau in der Waiblinger Rötestraße, voraussichtlich Mitte 2022 fertiggestellt, findet bei 180 Arbeitsplätzen noch nicht mal jeder dritte Mitarbeiter auch einen Stellplatz.

Wochenends können die Fuhrpark-Fahrzeuge ausgeliehen werden

Statt einer komfortablen Anreise mit dem eigenen Auto zahlt der Landkreis jedem Mitarbeiter die Hälfte des Firmentickets, Auszubildende erhalten den Nahverkehrsfahrschein sogar komplett kostenlos. Und noch ein weiteres Bonbon hat der Landkreis im Gepäck: Abends und am Wochenende können die Fuhrpark-Fahrzeuge von den Mitarbeitern ausgeliehen werden – ein im Südwesten bisher einzigartiges Car-Sharing-Modell. Gut ein Jahr lang hat es gedauert, die rechtlichen Fallstricke für die Idee abzuklopfen. Jetzt können Landkreis-Bedienstete auch im Dienstwagen die Oma im Allgäu besuchen oder dem Kumpel beim Umzug helfen. „Gerade junge Leute haben oft ja gar kein eigenes Auto mehr“, sagt Landrat Sigel. Vielleicht leiht auch er sich künftig öfter einen E-Roller aus – bewundernde Blicke am Zebrastreifen sind so schlecht ja nicht.