Die Energiewende bezahlbar machen – bei der Mammutaufgabe soll die Wissenschaft helfen. Dafür stellt Forschungsministerin Johanna Wanka Millionen bereit. Vier Konsortien wurden ausgewählt. Die Universität Stuttgart leitet im Tandem mit Dortmund eines davon. Das Ziel ist: Energie-Synergie.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) wählt große Worte. „Wir werden zeigen, dass eine sichere, bezahlbare und saubere Energieversorgung machbar ist, ohne auf Wohlstand und Arbeitsplätze zu verzichten“, sagte sie jetzt bei einer Pressekonferenz in Berlin. Bis jetzt sorgen Steuern, Abgaben und energiewendebezogene Sonderaufwendungen dafür, dass die Stromrechnung steigt – auch wenn die Börsenstrompreise seit dem Atomausstieg durch Wind- und Sonnenenergie gesunken sind.

 

Doch neue Netze, Stromtrassen, Ersatzkapazitäten für wind- und sonnenarme Zeiten sowie die Anschubfinanzierung für die erneuerbaren Energien kosten Geld. Da sie nicht aus dem Steuersäckel finanziert werden, kommen sie die Stromkunden teuer zu stehen. Zudem sind einige technische Herausforderungen – die Stabilität der Netze, der Umgang mit schwankenden Strommengen, die Stromspeicherung und die Integration stromintensiver Produktionsprozesse ins Energiesystem – noch nicht bewältigt. Johanna Wanka ist überzeugt, dass die Forschung der Wirtschaft dabei auf die Sprünge helfen kann. „Bis 2025 bringen wir neue Energiekonzepte auf den Weg, die im großtechnischen Maßstab angewendet werden können – und die auch gesellschaftlich mitgetragen werden“, betont sie.

Forschung soll der Wirtschaft auf die Sprünge helfen

Das Forschungsministerium stellt deshalb bis 2025 insgesamt rund 400 Millionen Euro Fördermittel bereit. Tausend Institutionen – davon sind etwa die Hälfte Unternehmen – haben sich seit September vergangenen Jahres mit 41 Projektvorschlägen beworben. Jetzt hat Ministerin Wanka die Sieger ausgerufen. 230 Forschungseinrichtungen und Unternehmen in vier Projektkonsortien werden gefördert. Das erste Team namens Ensure unter Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der RWTH Aachen sucht mit Industriepartnern wie Eon, Tennet, Siemens und ABB nach Möglichkeiten, mit einer Kombination aus zentral und dezentral erzeugtem Strom die Kosten für den teuren Netzumbau zu verringern. Für Investitionen in neue Netze werden bis 2025 rund 34 Milliarden Euro veranschlagt.

Das zweite Konsortium, Power-to-X genannt, will unter Leitung der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich die Voraussetzungen schaffen, damit 90 Prozent der Überschüsse aus Ökostromquellen gespeichert werden können – als chemische Grundstoffe, gasförmige Energieträger und Kraftstoffe.

Universität Stuttgart leitet das Projekt Synergie

Beim dritten Konsortium namens SynErgie ziehen 83 Partner unter der Leitung der TU Darmstadt und der Universität Stuttgart an einem Strang. Sie wollen industrielle Produktionsprozesse an die schwankende Energieversorgung anpassen. Gelingt das, könnten die Energieversorgungskosten der Industrie in den nächsten vier Jahren um mehr als zehn Milliarden Euro gedrosselt und die CO2-Emissionen deutlich gesenkt werden. So steht es in den Unterlagen des Konsortiums.

Ausgangsüberlegung der Wissenschaftler ist, dass der hohe Strombedarf von bestimmten Produktionsprozessen nicht nur als unabänderliche Verbrauchsgröße, sondern auch als Möglichkeit zur Flexibilisierung der Stromnachfrage genutzt werden kann. Das Ziel ist, solche stromintensiven Prozesse mit dem schwankenden Wind- und Sonnenenergieaufkommen zu synchronisieren. Gelingen soll dies mit hoch entwickelten Steuerplattformen, getestet werden soll es in einem Modellprojekt in der „Energieflexiblen Region“ Augsburg. Von industrieller Seite mit dabei sind Daimler, MAN, Siemens, BASF, VW Sachsen und Wacker-Chemie.

Kopernikus ist Pate

Im vierten Forschungskonsortium zum Thema Systemintegration – Enavi genannt – haben sich 60 Partner unter Leitung des IASS ( Institute for Advanced Sustainability Studies) in Potsdam zusammengetan, und einer gesellschaftlichen Stoßrichtung verschrieben. Das Ziel der Forschungsarbeiten ist, neue Wege aufzuspüren, um im Dialog mit Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft sozial und politisch kompatible Lösungen zu finden.

In der ersten Förderphase bis 2018 sollen 120 Millionen Euro, bis 2025 noch einmal 280Millionen Euro fließen. Als Pate für den Energieforschungsschwerpunkt wurde Nikolaus Kopernikus bemüht. Seine kopernikanische Wende markierte den Abschied vom geozentrischen Weltbild und den Beginn der Neuzeit. Der Namensgeber soll die Hoffnung symbolisieren, dass mit der deutschen Energiewende ein ähnlich fundamentaler Wandel gelingen könnte.