Die neue Doppelspitze der Partei steht so gut wie fest: Neben Saskia Esken wurde der bisherige Generalsekretär Lars Klingbeil vom Parteivorstand nominiert. Was bedeutet das für die Partei?

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Berlin - Lars Klingbeil hat sich am Montag eher im Hintergrund gehalten. Er trat nicht selbst vor die Presse, nachdem Präsidium und Vorstand der SPD den 43-Jährigen gemeinsam mit Saskia Esken einstimmig für den Parteivorsitz nominiert hatten. Das überließ er Esken und Norbert Walter-Borjans als dem aktuellen Spitzenduo. Klingbeil äußerte sich aber noch davor via Youtube zu seiner Nominierung – passend für einen, der sich im Bundestag auch als Digitalpolitiker verdient gemacht hat. „Viele haben mich aufgefordert, zu kandidieren“, sagte Klingbeil. Und: „Das bedeutet mir sehr viel.“

 

Klingbeil und Esken sollen also das neue Führungsduo der SPD bilden, als „Doppelspitze“, wie beide betonen. Nun muss es auf dem Parteitag der Sozialdemokraten von 10. bis 12. Dezember in Berlin noch gewählt werden. Theoretisch ist das Feld für weitere Bewerberinnen und Bewerber offen, wie auch Esken am Montag betonte. Praktisch gilt es jedoch als sehr unwahrscheinlich, dass jemand anderes Esken und Klingbeil die Führungsaufgabe streitig machen kann – zumal sie die Unterstützung der gesamten Parteispitze haben.

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Aus unterschiedlichen Parteiecken

Die beiden bisherigen Vorsitzenden, die Klingbeil selbst für den männlichen Part des künftigen Tandems vorschlugen, haben viel Lob für ihn parat. Sein designierter Nachfolger habe „wesentlich dazu beigetragen, dass Olaf Scholz die Bundestagswahl gewinnen konnte“, sagte Norbert Walter-Borjans. Sie kenne Klingbeil seit vielen Jahren, arbeite „sehr gerne und sehr vertrauensvoll mit ihm zusammen“, ergänzte Saskia Esken. Und sie schätze seine ruhige Art wie auch seine positive Einstellung. Auch auf Nachfragen kamen von Esken immer wieder ähnliche Sätze, sehr tief ließ sie nicht blicken, was das Verhältnis zu ihrem neuen Doppelpartner angeht. Inhaltlich kommen Esken und Klingbeil aus unterschiedlichen Ecken. Die Baden-Württembergerin wird der Parteilinken zugerechnet, der Niedersachse gehört dem Seeheimer Kreis an, also dem konservativen Flügel der Sozialdemokraten. Er gilt als Vermittler und Moderierer.

Von einer Politik des Draufhauens halte er nichts, sagte er im Wahlkampf, den er wesentlich um den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz herum gestaltete und die Partei so letztlich zum Erfolg bei der Bundestagswahl im September führte.

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Kühnert als neuer Generalsekretär?

Nachdem die Chefpersonalien mutmaßlich geklärt sind, stellen sich in der SPD vor allem zwei Fragen: Wer folgt auf Generalsekretär Klingbeil? Und wie hält es Saskia Esken mit einem möglichen Ministerposten? Als neuer Generalsekretär wird immer wieder Kevin Kühnert ins Spiel gebracht. Der 32-jährige Parteivize stand immer hinter dem Führungsduo Walter-Borjans und Esken. Er gilt auch als einer, der im Hintergrund viele Fäden zieht. Der ehemalige Juso-Vorsitzende hat auch die Unterstützung der Nachwuchsorganisation. „Ein starker Kevin Kühnert ist auf jeden Fall das, was ich mir wünsche und was sich auch die Jusos wünschen“, sagte Juso-Chefin Jessica Rosenthal der „Welt“. Die SPD-Frauenorganisation machte dagegen schon vergangene Woche klar: Eine Frau sollte auf den Posten nachrücken, zum Beispiel eben jene Jessica Rosenthal. Ausgang: offen.

Esken und das Ministerinnenamt

Offen ist auch, ob Esken vielleicht doch ein Ministeramt antreten will. Walter-Borjans hatte zwar bei seiner Rücktrittserklärung noch gesagt, dass auch künftige Parteivorsitzende nicht Teil der Regierung sein sollten. Esken sah das am Montag anders: „Unsere Statuten beinhalten eine solche Trennung nicht.“ Sie wolle nicht in alle Ewigkeit ausschließen, in ein Ministeramt zu wechseln. Ein Nein sieht anders aus. Klingbeil schließt dagegen ein Ministeramt für sich aus.

Und wie steht Baden-Württembergs SPD zu Klingbeil? „Er hat einen starken und modernen Wahlkampf geführt und bewiesen, dass er mit Saskia Esken ein gutes Team bildet“, so SPD-Landeschef Andreas Stoch gegenüber unserer Zeitung. Er verspreche sich vom neuen Führungsduo Impulse, „die SPD als moderne Volkspartei zu positionieren“. Das sind fast genau die Worte, die auch Klingbeil in seinem Video verwendete. Dort träumt er sogar in neuen Dimensionen von einem „sozialdemokratischen Jahrzehnt“ und sagt: „Ein Wahlsieg reicht mir nicht.“

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Saskia Esken
Die Parteilinke ist seit 2013 im Bundestag und vertritt den baden-württembergischen Wahlkreis Calw. Im Jahr 2019 übernahm die heute 60-Jährige gemeinsam mit Norbert Walter-Borjans den Parteivorsitz der SPD. Im Rennen um den Chefsessel ließen die beiden damals – unterstützt vom damaligen Jusos-Vorsitzenden Kevin Kühnert – auch den aktuellen Wahlsieger Olaf Scholz hinter sich. Vor diesem Triumph war Esken kaum bekannt.

Lars Klingbeil
Der Niedersachse ist Mitglied im Seeheimer Kreis, gehört also zum konservativem Flügel der SPD. Sein erstes kurzes Gastspiel im Bundestag hatte er 2005, seit 2009 übt er durchgehend ein Mandat aus. 2017 holte ihn der damalige Parteichef Martin Schulz als Generalsekretär in den engeren Führungskreis der SPD. Als Generalsekretär diente der heutige 43-Jährige auch unter Andrea Nahles sowie zuletzt unter Walter-Borjans und Esken.