Im Stuttgarter Westen gibts jetzt Heritage-Fashion für den Mann zu kaufen. Ein Besuch vor Ort zeigt: Wertschätzung von Materialien und Herstellungsweise wird dort gelebt.

Stuttgart - Auf schweren Holztischen liegen Jeans, an Eisenstangen, die an Baustellengerüste erinnern, hängen schwere Jacken. An der hohen Decke sind Lampen mit großen schwarzen Schirmen im Industriedesign angebracht, unter der langen Fensterfront mit Blick auf den Innenhof steht eine alte Holzbank, die Sebastian Stoll gerade frisch behandelt hat. Es riecht nach Leder, es riecht nach Jeans. Wertschätzung von Produkten, wird im Ciao Ragazzi groß geschrieben, das spürt man sofort, wenn man den neu eröffneten Store betritt.

 

„Kürzlich wurde auf der Königstraße der neue Primark-Store eröffnet“, sagt Stoll und blickt sich nachdenklich um. Die Geschäfte könnten gegensätzlicher nicht sein und scheinen dennoch beide den Zeitgeist zu treffen. Wird auf der Königstraße nun in einem weiteren Geschäft austauschbare Fashion angeboten, die sich nach den neuesten Trends, nicht aber nach Qualitätsansprüchen richtet. Gibt es an der Rotebühlstraße 59A mit dem Ciao Ragazzi einen Laden, der auf hochwertige Kleidung setzt, die langlebig und handgemacht ist. Kleidung, auf die man sich verlassen kann, mit der man auf Outdoor-Abenteuern und im Alltag gleichermaßen gut aussieht, wie es Stoll nennt. In der Modewelt spricht man in diesem Zusammenhang gern von Workwear oder Heritage-Fashion.

Ein Trend, der seine Anfänge zwar bereits in den 1980er Jahren genommen hat, als die Japaner die Mode von Levi’s für sich entdeckten und ähnlich hochwertige Kleidung bewusst und in Handarbeit herstellen wollten. Doch erst in den vergangenen Jahren, als Regionalität oder auch Recycling etwa bei Lebensmitteln begonnen haben eine Rolle zu spielen, ist der Trend wieder nach Amerika und schließlich auch Europa gekommen.

Die Mode ist nicht neu, aber neu entdeckt

Labels wie Red Wing aus Amerika, das bereits vor über hundert Jahren gegründet wurde und für seine Lederboots bekannt ist, haben dadurch einen großen Aufschwung erlebt. Stoll selbst hat schon vor längerer Zeit ein Faible für diese Mode entwickelt. „Über meine Arbeit als Elektrotechniker in einem Textilforschungsinstitut bekam ich Einblicke in die moderne Produktionskette und habe so ein besonderes Bewusstsein für den Herstellungsprozess der Produkte sowie für das Handwerk selbst kennengelernt“, sagt der 32-Jährige, der im Schwarzwald aufgewachsen ist.

Weil es Heritage-Fashion so in Stuttgart bislang kaum zu kaufen gab, hat er schließlich seinen eigenen Laden eröffnet. Neben den Boots von Red Wing, gibt es etwa Jeans von dem japanischen Label Momotaro oder auch T-Shirts aus Bio-Baumwolle von Merz b. Schwanen, das auf der Schwäbischen Alb ansässig ist. Die meisten Labels von denen er die Taschen, Pullover, Jacken, Geldbeutel, Hemden oder Handschuhe bezieht, sind kleine Unternehmen oder Manufakturen – zu den meisten von ihnen hat er sogar persönlichen Kontakt, manchmal besucht man sich auch.

Im Moment denkt Stoll darüber nach, einen Reparaturservice anzubieten. „Man lässt bei diesen Produkten zu, dass sie altern, dadurch schöner und über die Jahre hinweg mit Erinnerungen verbunden werden können“, sagt er. Gerade deshalb würde es sich lohnen, die Produkte zu reparieren und damit nicht nur sie, sondern auch ihre Geschichte am Leben zu halten.