Offenbar erstellt der türkische Geheimdienst Namenslisten über Teilnehmer an Türkei-kritischen Demonstrationen in Deutschland.

Berlin/Ankara - Die Türkei will Urlauber aus Deutschland, die als mutmaßliche Regierungsgegner gelten, bei der Einreise festnehmen lassen. Das kündigte Innenminister Süleyman Soylu bei einer Kundgebung an. Seine Worte richten sich insbesondere – aber nicht nur – an türkischstämmige Bundesbürger. Die Äußerungen, belegt von Videomitschnitten, legen nahe, dass Ankara die Teilnehmer türkeikritischer Kundgebungen in Deutschland beobachten und Listen erstellen lässt. Im Fokus stehen offenbar vor allem Sympathisanten der verbotenen PKK.

 

Der Vizefraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Thorsten Frei, sagte, es sei „inakzeptabel, wenn die Türkei in Deutschland mit nachrichtendienstlichen Mitteln auch deutsche Staatsbürger ausspioniert und deren staatsbürgerliche Freiheiten in Deutschland einschränken will“. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka, sagte, die PKK sei eine in Deutschland verbotene Organisation. „Wer sie unterstützt, macht sich strafbar. Ob eine solche strafbare Handlung vorliegt oder nicht, klären deutsche Gerichte und nicht eine politisch von Ankara gesteuerte Justiz in der Türkei.“ Die Drohungen entbehrten „jeder rechtsstaatlichen Grundlage“.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir nannte die Äußerungen „den zweiten Affront innerhalb weniger Tage“, nachdem Ankara mehreren deutschen Journalisten die Arbeitserlaubnis verweigert hatte. „Die Beschwichtigungspolitik der Bundesregierung Richtung Erdogan ist gescheitert“, sagte Özdemir. Die Türkische Gemeinde in Deutschland reagierte verärgert. „Wir beobachten mit Sorge, dass die Meinungsfreiheit immer weiter eingeschränkt wird“, sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu. Man solle aber nicht vergessen, dass die aktuellen Entwicklungen „vor dem Hintergrund der Kommunalwahlen in der Türkei stattfinden“.