Ein gewagter Schritt: Große Meriten hat Barcelonas neuer Trainer nicht vorzuweisen. Die Bürde ist riesig, die Fußstapfen sind groß - und ein Scheitern wäre auch ein Scheitern der Vereinsbosse. Was jetzt zählt, ist die Champions League für Messi & Co.

Barcelona - Die erste Trennung des FC Barcelona von einem Coach in der laufenden Saison seit 2003 und die Berufung eines Ruheständlers auf einen der wichtigsten Trainer-Posten im weltweiten Vereinsfußball haben Kritik und Fragen ausgelöst. „Barça wählt den Abgrund“, kommentierte die Zeitung „El Pais“ am Tag nach der fast mitternächtlichen Demission von Ernesto Valverde. Der 55-Jährige musste trotz zweier Meistertitel nacheinander, dem Gewinn der Copa del Rey sowie des spanischen Supercups und der Führung in der Primera División gehen. Die Trennung machte der Verein erst am späten Montagabend nach einem langen Treffen des Vorstands offiziell.

 

Wunschlösungen wie die ehemaligen Barça-Legenden Xavi oder Thierry Henry konnten und wollten nicht, andere wie Lionel-Messi-Landsmann Mauricio Pochettino waren auch nicht zu bekommen - und so coacht nun Quique Setién das Zig-Millionen-Ensemble um den deutschen Torhüter Marc-André ter Stegen. Und offenbar nicht als Übergangslösung, bis Xavi womöglich im Sommer sein Engagement in Katar beendet haben könnte. Nein, Setién bekam einen Vertrag bis zum 30. Juni 2022.

Schwärmerei für Messi

Der 61-Jährige aus Santander im Norden des Landes, der mit bürgerlichem Namen Enrique Setién Solar heißt, wird von seinem neuen Arbeitgeber als einer der „erfahrensten“ Trainer im spanischen Fußball gepriesen. Setién sei ein Verfechter von angriffsorientiertem Ballbesitzfußball, ganz im Sinne der Fans.

In seiner Heimatstadt gilt Setién als Legende. Bei Racing Santander war er lange als Profi aktiv und seit 2002 als Trainer. Sein Spitzname dort: „El Maestro“. Weitere Stationen waren unter anderem UD Las Palmas und zuletzt Real Betis Sevilla. Seine Bilanz in der ersten Liga: 60 Siege, 60 Niederlagen, 53 Remis. Als Spieler war er in den 1980er Jahren auch für Atlético Madrid aktiv.

Er wird der 60. Trainer in der Historie des ruhmreichen Clubs aus Katalonien sein. Mehrfach schon brachte er seine Hochachtung und Schwärmerei für Messi zum Ausdruck.

Dieser hatte Valverde nach der 2:3-Niederlage im spanischen Supercup am Donnerstag gegen Atlético noch von jeder Schuld freigesprochen, zugleich aber betont: „Wir haben kindische Fehler gemacht.“ Dafür zahlen musste nun Valverde. Dabei liest sich dessen Bilanz seit dem Amtsantritt im Sommer 2017 im Grunde hervorragend: 108 Siege in 163 Spielen, 35 Unentschieden, 20 Niederlagen. Dass Barcelona in den vergangenen beiden Spielzeiten in der Champions League vorzeitig scheiterte, kratzte aber (zu) arg am Ehrgefühl der Vereinsbosse.

Rückendeckung für Valverde

Dennoch, viele Kommentatoren in Spanien waren sich einig: Das hat Valverde nicht verdient. Das Sportblatt „Marca“ sprach am Montag von einem „traurigen Abgang“. Auch die Barcelona-Legende Andrés Iniesta monierte die „ziemlich schlechten Manieren“ der Vereinsspitze. „Man muss Respekt vor einem amtierenden Trainer haben“, meinte der 35-Jährige, der 2018 nach Japan gewechselt war. Auch der frühere Barça-Star Pep Guardiola ergriff Partei für Valverde: „Barcelona ist ein besonderer Ort, an dem der Gewinn der Liga nicht ausreicht. Ernesto Valverde tut mir sehr leid, er hat das nicht verdient.“

Angeblich soll es nach dem 2:2 zu Jahresbeginn im Stadtderby gegen Espanyol in Vereinspräsident Josep Bartomeu mächtig gebrodelt haben. Ihm schwante: So wird es wieder nichts mit der Champions League, die die Blaugrana zuletzt 2015 gewonnen hatten. Die Katalanen müssen im Achtelfinale gegen den SSC Neapel unter anderem mit dem ehemaligen Leipziger Diego Demme antreten. Spätestens Ende Februar wird Setién sich beweisen müssen. Ein K.o. gegen Napoli wäre verheerend und ein schwerer Schlag auch für die Vereinsbosse.