Annette Bruhns, die Vorsitzende des Vereins Pro Quote, formuliert im Interview die Ziele ihrer Organisation: Es gibt viele Journalistinnen, doch in den Chefetagen der Redaktionen sind sie trotzdem nur selten vertreten.

Stuttgart - Journalistinnen gibt es viele, in den Chefetagen deutscher Redaktionen sind Frauen aber immer noch eine verschwindend kleine Minderheit. Der am vergangenen Wochenende in Hamburg gegründete Verein Pro Quote Medien möchte die Situation verändern. Ein Gespräch mit der Vereinsvorsitzenden und „Spiegel“-Redakteurin Annette Bruhns.
Frau Bruhns, in deutschen Medienhäusern gibt es sehr wenige Frauen in Führungspositionen. Können Sie uns Zahlen nennen?
Da derzeit keine Zahlen über den Frauenanteil in Deutschlands Redaktionen vorliegen, haben wir selbst recherchiert: Zwei Prozent der Chefredakteure von den rund 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen sind Frauen – nämlich genau acht. Bei den Rundfunk- und Fernsehanstalten gibt es zwar einige Intendantinnen, aber die Macht liegt auch dort überwiegend in der Hand von Männern.

Nachdem Anfang des Jahres ein von 350 Journalistinnen unterzeichneter Brief an alle deutschen Chefredaktionen versendet worden war, der auf dieses Ungleichgewicht hinwies, hat sich nun der Verein Pro Quote gegründet. Wer unterstützt die Initiative?
Bei der Gründungsversammlung waren 58 Medienschaffende anwesend, Redakteurinnen von „Spiegel“, „Stern“, Tageszeitungen, Online-Medien sowie Rundfunk- und Fern-sehsendern. Außerdem liegen uns über hundert Mitgliedsanträge vor. Auf unserer Website unter www.pro-quote.de haben inzwischen 3665 Personen unsere Forderungen unterzeichnet. Unter den Unterstützern finden sich auch viele Prominente wie Anne Will, Sabine Christiansen oder die RBB-Fernsehintendantin Dagmar Reim.

Wie lauten die Forderungen von Pro Quote?
Wir wollen, dass mindestens dreißig Prozent aller Führungspositionen in deutschen Redaktionen in den nächsten fünf Jahren mit Frauen besetzt werden, auf jeder Leitungsebene, bis hinauf in die Chefredaktion. In den bisherigen Verhältnissen sehe ich auch ein gewisses Demokratie-Defizit.

Und wie versuchen Sie, Ihre Ziele zu erreichen?
Wir werden weitere Kampagnen wie die genannte Briefaktion durchführen, wir machen viel Lobbyarbeit, diskutieren zum Beispiel auf Podien. Und dann wollen wir eine Art Headhunter-Datei erstellen, in der sich mögliche Kandidatinnen für Führungspositionen präsentieren können.

Geht es bei Pro Quote nur um Frauen in Führungspositionen?
Um Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, müssen dafür in Redaktionen auch genügend Frauen eingestellt werden. Wenn Zeitungen wie die „Süddeutsche“ oder Magazine wie der „Spiegel“ bisher nur einen Redakteurinnenanteil von 25 bis 30 Prozent haben, ist das zu wenig, um daraus Führungspotenzial zu rekrutieren.

Welche inhaltlichen Forderungen haben Sie?
Da halten wir uns neben unserem Hauptthema bisher zurück. Aber wenn Sie typische Frauenthemen meinen, Teilzeitarbeit oder Kinderbetreuung: wir sind der Auffassung, das ist eine Elternfrage und keine Frauenfrage.

Kann es sein, dass viele Frauen ihr Glück nicht unbedingt in einem 14-Stunden-Job ohne Wochenende sehen? Anders gesagt: Müssten sich Strukturen ändern, damit Führungspositionen für Frauen, die ja oft auch Mütter sind, attraktiver werden?
Es muss ja nicht jede Frau eine Führungsposition anstreben. Ich persönlich denke, die Medien werden bisher sehr hierarchisch geführt. Wenn Frauen oben mehr mitspielen, könnten sich dadurch auch die Unternehmenskulturen ändern. Dass also etwa über geteilte Chefsessel, nicht nach 16 Uhr anberaumte Sitzungen und Ähnliches nachgedacht würde. Diese Vision sollte Pro Quote übrigens auch für die wachsende Zahl an engagierten Vätern attraktiv machen – Männer, die neben ihrem Job mehr Zeit für ihre Familien haben möchten.

Wie geht Pro Quote mit der aktuellen Boombranche Internet um? Der Frauenanteil dort dürfte dem bei den Piraten gleichen.
Wir haben eine Arbeitsgruppe zu den Neuen Medien, weil sie tatsächlich sehr männlich dominiert sind. Da möchten wir Druck machen und Online-Chefredakteure sowie Kolleginnen ermuntern, dass Frauen sich dort mehr engagieren. Denn da wird künftig die Musik spielen.

Pro Quote versteht sich auch als Netzwerk, in dem Frauen sich gegenseitig unterstützen. Hat es daran bisher gemangelt?
Ein Netzwerk, auch mit Männern! Aber ja, es ist oft einfach so, dass Frauen schon wegen ihrer Kinder nicht die Möglichkeit haben, abends mal ein Bier zusammen zu trinken. Da helfen uns jetzt die Neuen Medien, sie machen unsere Vernetzung und die Verbreitung unserer Ideen, zum Beispiel in Foren, sehr viel einfacher.

Sie scheinen zuversichtlich, dass sich Pro Quote bis in fünf Jahren selbst überflüssig gemacht haben wird? Worauf gründet dieser Optimismus?
Ich glaube, dass Medienunternehmen, die sich doch als weltoffen und fortschrittlich betrachten, versuchen werden, dies auch in der Frauenfrage zu sein. Das erwarten die Zuschauer und Leser, weibliche wie männliche. Auf unserer Website unterstützen auch schon viele von ihnen unsere Forderungen. Da könnte also auch marktwirtschaftliches Kalkül der Sache nützen.