Die Netze BW hat beim Urachplatz einen neuen Trinkwasser-Hochbehälter gebaut. Jetzt ist der 10,5 Millionen Euro teure wichtigste Knotenpunkt der nicht ganz einfachen Stuttgarter Wasserversorgung offiziell eingeweiht worden.

Stuttgart - Stadtbezirke wie Stuttgart-Mitte oder -Ost, Obertürkheim, Bad Cannstatt oder Münster haben eins gemeinsam: Wer dort heute Morgen geduscht oder den Wasserhahn für frisches Kaffee- oder Tee-Wasser aufgedreht hat – alle haben sozusagen das gleiche Wasser bekommen, frisch, sauber und acht Grad Celsius kalt aus dem neuen Trinkwasser-Hochbehälter am Urachplatz im Stuttgarter Osten. 10,5 Millionen Euro hat die Netze BW in den vergangenen viereinhalb Jahren in den Neubau des Hochbehälters investiert, rund 100 000 Menschen werden von dort aus mit Trinkwasser versorgt. Jetzt ist dieser wichtigste Knotenpunkt in der wegen der Kessellage komplizierten Trinkwasserversorgung der Landeshauptstadt offiziell in Betrieb genommen worden.

 

Ins Wasser fallen darf nichts

7500 Kubikmeter Wasser in 750 Tonnen Stahl und mehr als 3100 Kubikmeter Beton, 26 000 Kubikmeter Erde mussten weichen und mit 4400 Lkw-Fahrten abtransportiert werden – „Behälter“ ist eine fast schon niedliche Bezeichnung für die riesigen, schwergewichtigen unterirdischen Bauwerke am Urachplatz. Wenn es um das lebenswichtige Trinkwasser geht, wird Sicherheit groß geschrieben, in dem Fall vor allem auch Sauberkeit. In die hochsensible Anlage dürfen nur wenige Menschen rein. Und wer reingeht, muss weiße Ganzkörperanzüge über seine Kleidung ziehen, auch Plastiküberzüge über die Schuhe, damit das Wasser drinnen ja nicht verunreinigt wird. Der größte anzunehmende Unfall bei so einem Besuch wäre, wenn etwas ins Wasser fallen würde. Dann müsste die betroffene Kammer – es gibt zwei davon – komplett ins Abwassersystem entleert und entsprechend den Hygiene-Vorschriften gereinigt werden. Die Kosten für einen solchen „Unfall“ gehen schnell und locker in den fünfstelligen Bereich.

Wenn die Kammern randvoll sind, fassen sie so viel Wasser, wie in drei Olympiaschwimmbecken – 50 Meter lang, 25 Meter breit, zwei Meter tief – passen. Das Wasser kommt von der anderen Seite des Neckars durch die riesigen Leitungen des Zweckverbands Landeswasserversorgung, die vom Donauries kommend über den Rotenberg bis zum Wasserwerksareal am Neckar in Gaisburg und eben weiter bis zum Urachplatz führen. Das Wasser kommt mit einem so hohen Druck an, dass damit Turbinen zur Stromerzeugung angetrieben werden können. So ist die Anlage unabhängig vom Stromnetz, pro Jahr werden 2,1 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt, was in etwa dem Stromverbrauch von 600 Haushalten entspricht. Das ist natürlich viel mehr, als für den überwiegend ferngesteuerten Betrieb des Wasserbehälters benötigt wird. Der Rest wird in das Netz eingespeist.

Höchster Wasserverbrauch kurz vor den Sommerferien

Jetzt im Oktober sind die beiden Kammern kaum halb voll. In dieser Jahreszeit wird einfach weniger Wasser in der Stadt verbraucht, nur etwa ein-, zweimal am Tag wird der Inhalt komplett erneuert. Kurz vor Beginn der Sommerferien waren beide Kammern dagegen randvoll, dann verbrauchen die von hier versorgten 100 000 Stuttgarterinnen und Stuttgarter und Unternehmen wie beispielsweise das Daimler-Werk Untertürkheim am meisten Wasser, bis zu 54 000 Kubikmeter pro Tag. Der durchschnittliche Tagesverbrauch in der Versorgungszone Kanonenweg – so hieß die Haußmannstraße früher – liegt bei 26 000 Kubikmeter.

„Diese Maßnahme war die wichtigste Investition in das Stuttgarter Wassernetz der vergangenen Jahre“, sagte der Geschäftsführer der Netze BW Wasser GmbH, Harald Hauser, bei der Einweihung der Behälter am Freitagabend. Der neue Behälter ist das Herzstück der „zentralen Versorgungszone des Stuttgarter Innenstadtbereichs“, heißt es in dem Datenblatt der Netze BW. „Sie ist sowohl verbrauchs- als auch flächenmäßig die größte Zone des gesamten Versorgungsgebiets.“ Das wird auch noch an anderen Zahlen zur Trinkwasserversorgung deutlich. In Stuttgart gibt es wegen der Topografie insgesamt 43 Trinkwasserbehälter, die das in 68 Zonen unterteilte Stadtgebiet, in dem rund 614 000 Menschen wohnen, mit Wasser versorgen. Zum Vergleich: das flache München mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern hat genau drei Zonen und drei Trinkwasserbehälter.

Die unmittelbar benachbarten alten, unter Denkmalschutz stehenden Trinkwasserkammern, die 1881 und 1926 gebaut worden waren, sind inzwischen längst leer und ungenutzt. Für die künftige Nutzung gibt es laut Netze BW bisher noch keine konkreten Pläne.