Kristin Hasselwander ist Stuttgarterin des Jahres: Auf ihre Initiative wird es jetzt eine gesetzliche Verbesserung für Asylbewerber geben, die eine Ausbildung beginnen wollen.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Kristin Hasselwander hat allen Grund, stolz auf sich zu sein. Die Stuttgarterin des Jahres hat mit ihrem hartnäckigen Kampf gegen eine existenzbedrohende Förderlücke bei ausbildungswilligen Asylbewerbern jetzt auf höchster Ebene einen Erfolg erzielt: Der Ausschuss für Arbeit und Soziales der Bundesregierung hat mehrere neue Gesetze für Auszubildende und Asylbewerber auf den Weg gebracht. Darunter ist auch das Ausländerbeschäftigungsfördergesetz, mit dem die Förderung einer Berufsausbildung oder einer Berufsvorbereitung erleichtert wird.

 

Dass die Notwendigkeit dieses Gesetzes erkannt wurde, kann sich die Inhaberin der Schreinerei Hasselwander im Bohnenviertel auf ihre Fahnen schreiben. Im Herbst 2017 stieß sie wegen ihres aus dem Iran geflüchteten Auszubildenden Hamid Zafar auf einen eklatanten Missstand.

Lehrling kündigt von heute auf morgen

Nach dem neuen Gesetz erhalten Asylbewerber, die eine Ausbildung im Handwerk beginnen und ein duales Berufsgrundbildungsjahr machen, staatliche Unterstützung. Bisher war dies nicht so. Eine Förderlücke hat vielen jungen Menschen den Beginn einer Ausbildung unmöglich gemacht, weil sie durch alle Raster gefallen sind und somit keine staatliche Unterstützung zum Leben mehr erhalten hatten. So erging es auch Zafar, der bei den Hasselwanders eine Lehrstelle als Schreiner erhalten hatte. Doch kaum hatte er begonnen, kündigte der junge Mann wieder, obwohl er erst so motiviert gewesen war. Den wahren Grund für die Kündigung hatte er aus Stolz nicht genannt, aber die Chefin ließ nicht locker und fand ihn heraus. „Wir hätten ja auch sagen können, das war’s dann. Aber wir haben uns gekümmert“, betont sie.

Tatsächlich bekam Zafar keinerlei staatliche Unterstützung mehr, weil Schreiner im ersten Lehrjahr die Berufsfachschule besuchen. Diese gilt als Schulausbildung und dafür bezahlt das Jobcenter nicht. Aber ein Anspruch auf Bafög bestand auch nicht. Erst im zweiten Lehrjahr wird die Ausbildungsvergütung bezahlt. Hätte sich Zafar jedoch arbeitslos gemeldet, hätte er die staatlichen Leistungen nach ALG II erhalten.

Die Chefin macht den Missstand öffentlich

Kristin Hasselwander legte im Herbst 2017 postwendend gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch beim Jobcenter ein – erfolglos. Dann beschlossen sie und ihr Ehemann, Zafar weiter als Azubi zu beschäftigen und ihm zunächst aus eigener Tasche den Lebensunterhalt zu bezahlen. Gleichzeitig machte die Firmeninhaberin den Missstand öffentlich. Sie wandte sich an den damaligen Sozialbürgermeister Werner Wölfle, hatte eine Anhörung bei Manfred Lucha, dem Minister für Soziales und Integration des Landes Baden-Württemberg, und bei einer Podiumsdiskussion der Handwerkskammer wies sie darauf hin, dass die Förderlücke für Asylbewerber die Integration hemmt. Die Stadt Stuttgart richtete daraufhin 2018 eine Interimslösung ein und ermöglichte so 61 Auszubildenden, eine Ausbildung an einer Berufsfachschule zu beginnen.

Das Handwerk braucht Nachwuchskräfte

„Das neue Gesetz hört sich gut an“, sagt Kristin Hasselwander. Damit sei vielen ausbildungswilligen Asylbewerbern geholfen, und nicht nur ihnen: „Die Arbeitgeber brauchen die Azubis, nicht nur in der Pflege werden sie benötigt, auch im Handwerk.“ Die Zahl der Bewerbungen sei rückläufig, beobachtet sie und bei der Ausbildungsbörse der Handwerkskammer, die kürzlich stattfand, habe sich gezeigt, dass einige Betriebe noch Auszubildende suchen. Hamid Zafar ist jetzt im zweiten Lehrjahr bei den Hasselwanders.