SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil muss sein „Mobile Arbeit Gesetz“ gegen vielfache Kritik verteidigen. Was den Gewerkschaften noch zu wenig ist, halten die Arbeitgeber für überflüssig. Wichtige Detailregelungen sind noch unklar.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat mit seinem Gesetzentwurf für ein „Mobile Arbeit Gesetz“ Unmut beim politischen Gegner und einige Fragen aufgeworfen. Ein Überblick.

 

Was plant der Bundesarbeitsminister? Ursprünglich hatte Hubertus Heil einen generellen Anspruch auf Homeoffice geplant – womit er am Widerstand von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gescheitert ist. Also musste er das „Mobile Arbeit Gesetz“ abschwächen – „ausgewogener, vernünftiger und praktisch anwendbar machen“, wie er sagt.

Es sieht für Arbeitnehmer „dort, wo es möglich ist“ einen Rechtsanspruch auf mindestens 24 Tage mobiles Arbeiten im Jahr vor. So könnten – theoretisch – zwei Elternteile jede Woche abwechselnd einen Tag zuhause arbeiten. Dies soll aber nur die Untergrenze sein – Arbeitnehmer und Arbeitgeber können sich individuell in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen auf mehr mobiles Arbeiten einigen. Ein Arbeitgeber kann den Wunsch nur ablehnen, wenn er „nachvollziehbare organisatorische oder betriebliche Gründe“ vorweist. Innerhalb einer bestimmten Frist muss er diese benennen. Eine prinzipielle Ablehnung soll ihm nicht mehr möglich sein.

Studien zufolge ist die Arbeitszeitbelastung von Personen, die regelmäßig oder gelegentlich daheim arbeiten, teils höher, als von Personen, die ständig im Betrieb arbeiten. Die Arbeitgeber müssen daher sicherstellen, dass Arbeitszeiten im Homeoffice vollständig erfasst werden – dies sei „technisch einfach zu lösen, dafür gibt es Apps und Programme“. Die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Arbeits- und Ruhezeiten sollen gelten. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von bis zu 30 000 Euro.

Was ist mit mobiler Arbeit gemeint? Gemeint ist, dass Beschäftigte ihre Arbeit außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte arbeiten – das muss nicht im Homeoffice, sondern kann an einem selbst gewählten Ort sein. Vorausgesetzt ist die Verwendung von Informationstechnologie.

Warum hat Heil den Entwurf erstellt? Der Bundesarbeitsminister erfüllt damit einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Darin heißt es: „Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen.“ Zudem hat Corona viel Dynamik gebracht: 36 Prozent aller abhängig Beschäftigten – das wären hochgerechnet 14,6 Millionen Menschen – haben laut einer Studie des Arbeitsministeriums im Juli und August zeitweise oder dauerhaft zu Hause gearbeitet; im Sommer 2019 waren es 24 Prozent. 87 Prozent waren damit (sehr) zufrieden. 82 Prozent gaben an, Beruf und Privates mit Homeoffice besser zu vereinbaren. 67 Prozent befanden, mehr arbeiten zu können. Besonders oft waren mit 48 Prozent Beamte im Homeoffice – dies allerdings auch schon vor der Pandemie.

Wie ist der Arbeitnehmer versichert? Während der Arbeitszeit in den privaten Räumen soll die gesetzliche Unfallversicherung greifen – Gesetzeslücken sollen geschlossen werden. Unfälle auf dem Weg von der Kita oder der Schule an den heimischen Arbeitsplatz sollen als Wegeunfall versichert sein. Die Kita sei keine Privatsache, wenn sie der Vereinbarung von Beruf und Familie diene, sagt Heil. Der Einkauf im Supermarkt sei hingegen Teil der privaten Lebensgestaltung. Auch Arbeitsunfälle daheim müssen für die Nutzung des Versicherungsschutzes direkt mit der Tätigkeit zu tun haben.

Wie sieht es mit der Steuer aus? Abgesehen davon, das Homeoffice oft noch am Küchentisch praktiziert wird, ist die Absetzbarkeit eines Arbeitszimmers vom neuen Gesetzentwurf nicht berührt. Heil zufolge ist es zudem heute schon so, dass die Arbeitgeber die Betriebsmittel zur Verfügung stellen müssen. „Da wird sich der Entwurf nicht im Detail einmischen“, sagt er. Es sei eine Frage der betrieblichen Vereinbarung, ob man das eigene Smartphone oder das Diensthandy nutzt und habe mit mobilem Arbeiten „erst mal nichts zu tun“.

Wie reagieren die Gewerkschaften? 24 Tage – also ein Tag alle zwei Wochen – sind dem Gewerkschaftsbund „eindeutig zu wenig“. Ein solcher Minimalanspruch sei eine Konzession an die Arbeitgeber, die bei dem Thema noch blockierten. Ein Fortschritt seien die Gestaltungsoptionen für Tarifvertrags- und Betriebsparteien, um noch weitergehende Regeln zu vereinbaren. Auch das geplante Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit wird vom Gewerkschaftsbund begrüßt. Wert wird gelegt auf die Freiwilligkeit der Regelungen für den Arbeitnehmer.

Vor Tagen hat IG-Metall-Chef Jörg Hofmann den Trend zum Homeoffice allerdings ein „süßes Gift“ genannt. Man stelle fest, dass sich etwa Banken und Versicherungen bemühten, Büroarbeitsplätze einzusparen und teure Flächen aufzugeben. In Frankfurt etwa purzelten deswegen die Mietpreise. Auch könnten die Firmen die Erfahrungen mit der Digitalisierung dazu nutzen, mehr Jobs in Billiglohnländer zu verlagern.

Was sagen die Arbeitgeber? Die Arbeitgeber Baden-Württemberg weisen den Vorstoß deutlich zurück. „Es ist grundfalsch, einen einseitigen Anspruch der Arbeitnehmer auf Homeoffice festschreiben zu wollen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg, Peer-Michael Dick, unserer Zeitung. „Selbst dort, wo Homeoffice theoretisch möglich erscheint, ist es praktisch nicht immer machbar – sei es aus Gründen der Arbeitsorganisation, der technischen Voraussetzungen oder der Vertraulichkeit, die sichergestellt sein muss“, urteilte Dick. „Das alles trägt nur Unruhe in die Betriebe.“

Corona habe vermehrt mobiles Arbeiten erzwungen. Dabei habe sich gezeigt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer pragmatische Lösungen hinbekämen. „Es gibt also keinen Regelungsbedarf“, so Dick. Homeoffice funktioniere vor allem dort prima, wo auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene Lösungen möglich seien. „Ein starres Gesetz, also die Einheitsregelung für alle, ist da kontraproduktiv“, betonte der Hauptgeschäftsführer. So sei der geplante Mindestanspruch von 24 Tagen pro Jahr völlig willkürlich gesetzt. Statt „unsinniger Rechtsansprüche“ bräuchte es vielmehr eine zeitgemäße Anpassung des Arbeitszeitgesetzes.