Noch vor dem Start des Deutschlandtickets bekommen Jugendliche in Baden-Württemberg ab März ein Billigabo für den Nahverkehr. Es gibt besonders eine Zielgruppe.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Bis mindestens Anfang Mai ist das viel diskutierte 49-Euro-Deutschlandticket für den Nahverkehr noch in der Warteschleife. Doch für Jugendliche und junge Menschen in Ausbildung legt das Land Baden-Württemberg nun vor. Zum ersten März startet das landesweite Jugendticket. Für einen Euro am Tag, also 30,42 Euro im Monat, gewährt es freie Fahrt in Bussen und Nahverkehrszügen innerhalb der Landesgrenzen.

 

Nutzen können das alle jungen Menschen bis 21 Jahre, die in Baden-Württemberg ihren Wohnsitz haben oder dort ihre Ausbildung machen. Wer auch danach noch in Ausbildung ist, ob in Studium oder im Betrieb, kann es auch noch bis 27 Jahre kaufen. Bereits im März des vergangenen Jahres hatten Land, Kommunen und Verkehrsverbünde das neue Angebot vereinbart – bevor die Debatte um ein dauerhaftes Deutschlandticket begonnen hatte.

Das Angebot ist ein Jahresticket, nach zwölf Monaten ist das Abonnement dann jeden Monat kündbar. Das Land Baden-Württemberg, das 70 Prozent der Kosten übernimmt, zahlt im Verlauf des Projektzeitraums bis Ende 2025 insgesamt 327 Millionen, die restlichen 30 Prozent kommen von den Kommunen.

Doch lohnt sich das überhaupt, wenn bereits zwei Monate später für ein paar Euro mehr mit dem Deutschlandticket der Nahverkehr in ganz Deutschland benutzt werden kann? Kritik kam dazu bereits von SPD und FDP im Land.

Landesverkehrsminister Winfried Herrmann (Grüne) sieht keine großen Überschneidungen bei den Angeboten. „Zum ersten ist es ein großer Unterschied, ob ein Ticket nun 30 Euro oder 49 im Monat kostet“, sagte er: „Zum anderen sind sicher 90 Prozent der jungen Leute vorwiegend innerhalb der Landesgrenzen unterwegs.“ Ein zehnjähriger Schüler werde nicht in Deutschland herumfahren wollen. Und wer weitere Strecken unterwegs sei, nutze nicht unbedingt langsame Nahverkehrszüge. Ziel sei es aber, das Jugendticket als rabattiertes Angebot in das Deutschlandticket zu integrieren.

Abonnementsbesitzer brauchen nichts tun

Wer jetzt schon ein Schüler- oder Studententicket besitzt, braucht bis zum März nichts zu tun. Die Verkehrsverbünde werden alle ihre bisherigen Abonnementbesitzer anschreiben. Zwangsumgestellt wird niemand. Man muss erst ausdrücklich seine Zustimmung erteilen.

Fast immer sei das neue Angebot billiger als die bisherigen subventionierten Abonnements für Schüler und Studenten, sagt Thomas Hachenberger, Geschäftsführer des Stuttgarter Verkehrsverbundes VVS und Sprecher der Verkehrsverbünde : „Es gibt einige Studierendentickets wie in Tübingen und Freiburg, wo das Studiticket billiger ist – dort hat man die Wahl, ob man es beibehalten möchte.“ Aber für wenige Euro mehr biete das neue Ticket auch dort einen größeren Radius über die Verbundgrenzen hinaus.

15 Prozent Zuwachs angestrebt

15 Prozent mehr Abos wolle man dank des neuen Angebots in der jungen Zielgruppe verkaufen, sagte Hachenberger. Vor allem bei Studentinnen und Studenten, wo im Vergleich zu zwei Dritteln vor Corona-Zeiten heute nur noch weniger als die Hälfte ein Studierenden-Ticket nutzen, gebe es Potenzial. Auch Auszubildende, die bisher nicht in allen Verkehrsverbünden im Land den Anspruch auf ein rabattiertes Ticket hatten, sind eine zusätzlich erreichbare Gruppe. Allerdings haben hier schon relativ viele ein Auto.

Vertreter der Kommunen sehen das Ticket als einen Wechsel auf die Zukunft, um im Sinne des Klimaschutzes langfristig eine junge Zielgruppe für den öffentlichen Nahverkehr zu gewinnen. Entscheidend sei eine nachhaltige Finanzierung, sagte der Geschäftsführer des Landkreistages, Alexis von Komorowski: „Das ist erst einmal ein Etappenziel.“ Billigere Fahrpreise könnten nur der erste Schritt sein, entscheidend sei es, ob es auch gelinge den Nahverkehr entsprechend auszubauen.

Unmut über Tarifchaos

„Es gibt bei den Kommunen schon eine gewisse Unzufriedenheit, weil verschiedene Tarifinstrumente nun bisher nicht aufeinander abgestimmt seien“, sagte Susanne Nusser, stellvertretende Geschäftsführerin des Städtetages.

Verkehrsminister Herrmann hofft jedenfalls, dass die durch das Ticket angestoßene Nachfrage auch Argumente für einen besseren Nahverkehrs liefere: „Wenn wir erst einmal die Nutzung anheizen, dann wird auch klar, dass das ausgebaut werden muss.“ Für den ebenfalls zur Präsentation geladenen Vorsitzenden des Landesschülerbeirats Berat Gürbüz macht das neue Angebot vor allem auch Schluss mit kniffligen Tariffragen: „Die Frage, welches Ticket man genau kaufen muss, gehört jetzt endlich der Vergangenheit an.“