Der Stuttgarter Oberbürgermeister hält es für möglich, direkt am Hauptbahnhof gleich drei neue Einrichtungen bauen zu lassen: Konzerthaus, Kongresszentrum und Linden-Museum. Bei Tourismus-Werber Armin Dellnitz kommt diese Idee gut an.

Stuttgart - Der Oberbürgermeister hat geliefert. Fritz Kuhn (Grüne) präsentierte den Stadträten eine Beschlussvorlage für die Entwicklung des Rosensteinviertels, die Mitte November vom Gemeinderat beschlossen werden soll. Es war offenbar auch höchste Eisenbahn. Im Juli hatten einige Ratsfraktionen wie Rohrspatzen geschimpft, weil ihnen Kuhns Vorarbeiten für die großen Neubaugebiete auf bisherigen Gleisflächen nicht schnell genug gingen. Und was er damals vorgelegt hatte, qualifierte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz als „viel Blabla“ ab. Im neuen Papier wird Kuhn präziser.

 

Direkt am Straßburger Platz mit den Bullaugen des Tiefbahnhofs kann er sich nicht nur einen Neubau für das Linden-Museum und ein neues Konzerthaus vorstellen. Auf der großen Fläche könne man – „gegebenenfalls mit einer klugen Erweiterung auf die A-2-Fläche“ des Rosenstein-Gebiets – auch das angestrebte neue Kongresszentrum unterbringen. So steht es in dem 15-seitigen Papier, das dem Technik-Ausschuss übergeben, bisher aber nicht wirklich öffentlich diskutiert wurde. Die Rede ist von einem „Kulturquartier“ auf der A-3-Fläche, das den Auftakt zum neuen Rosensteinquartier bilden und am Scharnier zwischen neuer und alter City angesiedelt sein soll. Dort, wo bisher die Gleise in den Kopfbahnhof einlaufen.

Der Chef von Stuttgart Marketing ist angetan

Mit dem Gedanken der Kombilösung rennt Kuhn beim Tourismuswerber Armin Dellnitz von der Stuttgart Marketing GmbH offene Türen ein. Der Ansatz sei sehr gut, meint er. Diese Einrichtungen zusammenzudenken, mache die Realisierung „aussichtsreicher, als wenn man jedes Projekt für sich betrachten würde“. Dellnitz könnte sich ein gemeinsames Eingangsgebäude „mit drei Gebäuden dahinter“ vorstellen – als „Landmark, die symbolhaft, markant und neuartig wäre“. Damit ließe sich die Marketingbotschaft verbinden, dass man in Stuttgart vom Zug über die Kongressräume bis zum Hotel alles fußläufig bewältigen könne.

Hinter dem Kulturquartier soll sich eine weitere neue Siedlungsfläche mit mindestens 7500 „bezahlbaren Wohnungen“ entfalten. Überall dort, wo die bisherigen Flächen der Bahn und des Paketpostamts nicht zur Arrondierung der Parks genutzt werden. Abgesehen vom Paketpostamt und der Wartungswerkstatt der Bahn stünden alle Bauwerke „als Sachgesamtheit Hauptbahnhof Stuttgart unter Denkmalschutz“, heißt es in dem Papier. Wegen seiner „neuralgischen Lage“ am Übergang zwischen Schlossgartenanlagen, Rosensteinpark und der Entwicklungsfläche Rosenstein spiele das Grundstück des Paketpostamts „eine entscheidende Rolle“ für den Zugang von den neuen Stadtquartieren zu den Parkanlagen. Das Postamt und die Wartungswerkstatt gehören – anders als diverse Bahnbauwerke – für den Denkmalschutz nicht zur sogenannten „Sachgesamtheit Hauptbahnhof Stuttgart“.

Alle alten Bahnbauwerke könnten theoretisch erhalten werden

Allerdings spielt das Paketpostamt eine Rolle in den Überlegungen, wo mit einem Aufwand von geschätzt 50 Millionen Euro die Interimsspielstätte der Oper untergebracht werden könnte, wenn das Opernhaus am Eckensee – frühestens von 2021 an – generalsaniert wird. Kuhn jedoch hat kaum einen Hehl daraus gemacht, dass er in dem Zusammenhang zu einem Daimler-Gelände beim Mercedes-Museum neigt. Die Erhaltung des Paketpostamts kann er sich offenbar nicht vorstellen: Dieses Grundstück stoße auf eine Breite von 620 Metern an den Park. Das massive Gebäude rage in Richtung Schlossgarten auf bis zu 28 Meter auf, „so dass die Blickbeziehungen zum Schloss Rosenstein und zu Schlossgarten/Rosensteinpark bei einem Erhalt des Gebäudes extrem eingeschränkt wären“. Außerdem würde es die topografische Modellierung des Geländes erschweren. Man werde jetzt untersuchen, was der Abbruch des Paketpostamts kosten würde. Das dauere etwa sechs Monate. Unklar ist, was das Gelände kostet. Die 46 000 Quadratmeter gehören der Post. Die Bahnbauwerke weisen überwiegend größere bis umfangreiche Schäden auf, die Instandsetzung wäre aber möglich. Die städtebauliche Wertigkeit könne man aber nicht allein am Denkmalstatus und am Erhaltungszustand bemessen, bemerkte Kuhn. Man müsse auch schauen, ob eine sinnvolle Weiterverwendung möglich wäre, etwa für Wegeverbindungen, neue Gebäude oder als Landmarken: „Unstrittig ist, dass die Bahnbauwerke zur Identitätsstiftung beitragen.“

Das geplante Vorgehen

2018 sollen Architekten, Städte- und Landschaftsplaner Ideen für das Rosensteinviertel liefern. Auftakt: ein offener Wettbewerb. In Phase zwei möchte die Verwaltung im Spätsommer zehn bis 20 Büros an Ideenskizzen arbeiten lassen und im Dezember die besten Vorschläge prämieren. Gefragt wird nach der topografischen Gestaltung, nach Parkerweiterung, Nutzungsverteilung in den Baugebieten, kulturellen Einrichtungen und innovativer Infrastruktur. Aber auch, welche Bauwerke erhalten werden sollten. Zudem sollen die Teilnehmer Impulsprojekte aufzeigen, die auch als Modellprojekte im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 geeignet sind. Wenn der städtebauliche Ideenwettbewerb 2018 abgeschlossen ist, soll es 2019 noch Wettbewerbe für Teilgebiete geben, mindestens für den Bereich A3 mit dem künftigen Kulturquartier und für den Bereich Schillerstraße/Arnulf-Klett-Platz, wo das dortige Teilstück des Cityrings verschwinden soll. Danach werden für die einzelnen Gebiete wie jenes am Straßburger Platz oder auch an der Schillerstraße Bebauungspläne entwickelt. Sie sollen Ende 2021 fertig sein.

Die möglichen Bautermine

„Die Umsetzung des neuen Rosensteinquartiers hängt entscheidend von der Inbetriebnahme des neuen Hauptbahnhofs ab“, heißt es in OB Kuhns Papier. Und bezüglich des Tiefbahnhofs, der den Kopfbahnhof und sein Gleisvorfeld erübrigen soll, hatte der Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla zuletzt Verzögerungen von zwei bis drei Jahren, möglicherweise also bis Ende 2024, befürchten müssen.