Die Stadt Freiburg will die Anpflanzung der Purpurerle am Platz der Alten Synagoge noch einmal überdenken – denn die Kreuzung zwischen einer japanischen und einer kaukasischen Erle ist ein Frühblüher – das könnte Folgen für Allergiker haben.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Die Stadt Freiburg will zur Verschönerung des Platzes zwischen der neuen Universitätsbibliothek, dem Stadttheater und dem Kollegiengebäude I – offiziell: Platz der Alten Synagoge – Bäume pflanzen. Wie jetzt bekannt wurde, hat das Garten- und Tiefbauamt acht Purpurerlen als Schattenspender und Schmuckstücke ausgewählt. Die Kreuzung zwischen einer japanischen und einer kaukasischen Erle ist ein schmucker Baum, die Blätter glänzen schöner als die der einheimischen Erle. Sie wurde 1908 erstmals in einem Baumgarten in Berlin beschrieben, als Zierbaum weitergezüchtet. Der winterresistente Baum kann bis zu 15 Meter hoch werden. Vor allem aber verträgt diese Erlenart die Temperaturen einer Innenstadt, weshalb der Baum auf der Liste der empfohlenen urbanen Gewächse steht, die die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz aufgestellt hat.

 

Fatalerweise hat die Purpurerle aber auch Eigenschaften, die einer beträchtlichen Zahl von Menschen buchstäblich in die Nase sticht: Allergiker vertragen ihre Blütenpollen nicht. Noch schlimmer: der robuste Baum blüht früher als vergleichbare einheimische Verwandte. Schon im Dezember kann das passieren, kaum dass die alten Blätter im Frost gefallen sind. „Ungefähr 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung reagieren auf Frühblüher allergisch“, erklärt Professor Thilo Jakob, der Leiter der Allergologie-Ambulanz der Uniklinik Freiburg. Auf Erlen und Birken zum Beispiel. „Es kann also sein, dass ein Allergiker zu Weihnachten einen Heuschnupfen bekommt.“ Das wäre eine unschöne Bescherung, weil sich so die Leidenszeit der Allergiker beträchtlich verlängern würde. „Sie hätten im Jahresverlauf praktisch nur das kleine Zeitfenster von November bis Ende Dezember zur Erholung“, betont Thilo Jakob.

Im Kanton St. Gallen wurden allergische Reaktionen erstmals festgestellt

Dennoch steht der Baum nicht auf der Liste des „Allergo Journals“, die deutsche Fachleute im Jahr 2013 publiziert haben. Ihnen war offensichtlich entgangen oder nicht bekannt, dass der Schweizer Arzt Markus Gassner im Januar 2012 einen Artikel im renommierten „New England Journal of Medicine“ verfasst hatte, der sich exakt mit der Purpurerle beschäftigte. Gassner war in den 1980er Jahren aufgefallen, dass in dem Ort Buchs im Kanton St. Gallen plötzlich auffällig viele Menschen allergisch auf Erlenpollen reagierten. Eigentlich hätte sich der Mensch längst an den weit verbreiteten Baum gewöhnen müssen. Bei der Recherche kam heraus, dass in der Ortschaft Buchs 15 Jahre zuvor 96 Erlen neu gepflanzt worden waren. Keine einheimischen, sondern eben Purpurerlen. „Die Purpurerle kann dank ihrer sibirischen Gene möglicherweise mehr Frost nach dem Erblühen riskieren als beispielsweise Apfelbäume“, heißt es im Fazit der daraufhin über 25 Jahre lang durchgeführten Studie. Und der Klimawandel tut ein Übriges, denn die milden Winter setzen Frühblüher immer früher in Gang, die Purpurerle besonders früh.

Die Entscheidung fällt erst in sechs Monaten

Die Verantwortlichen der Stadt Freiburg sind jetzt in Verlegenheit: Nimmt man nun den robusten Baum mit Nebenwirkungen oder einen anderen für den schönen neuen Platz im Herzen der Stadt, wo die Besucherströme in die Unibibliothek, ins Theater oder in die Kollegiengebäude der Hochschule fließen? Ganz abgesehen davon, dass Pollen auch zu den Haltestellen des Straßenbahnkreuzes fliegen werden. Eine schwierige Entscheidung, denn viele klassische Stadtbäume haben mittlerweile andere Nebenwirkungen: Manche haben Spinnen und Motten, andere Pilze und können irgendwann urplötzlich umfallen.

Alternativen gäbe es, auch solche, die Allergikern keine Probleme machen, sagen Experten. Sie wollen ungenannt bleiben, weil sie die Entscheidung nicht beeinflussen wollen. Man werde noch einmal alles prüfen, ließ der Leiter des Garten- und Tiefbauamtes mitteilen, die Entscheidung falle erst in einem halben Jahr.