Warum Felix Neureuther in diesen Wochen die Saison seines Lebens fährt und bei der WM im Februar zu den großen Medaillenhoffnungen gehört.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Keinen Gag lässt er aus. Mal posiert Felix Neureuther neben dem Weihnachtsmann. Dann zieht er im Flugzeug neben einem schlafenden Kollegen spätpubertäre Grimassen. Auch Bilder von der Massagebank stellt er ins Internet. Auf Facebook ist dort ein kräftiger, bärtiger Mann zu sehen, der die Muskeln des Slalomspezialisten knetet. Neureuther leidet da gerade mit verzerrtem Gesicht wie ein Hund. Diesen brutalen Moment im Leben eines Sportlers kommentiert er in bester Altherrenwitz-Tradition mit den Worten: „Eine Blondine wäre mir jetzt lieber.“

 

Wenn einer noch heute so politisch unkorrekte Schoten reißen darf, dann der Lausbub aus Garmisch. Ob Felix Neureuther mit „Blondine“ auf seine hellhaarige Freundin, die Biathletin Miriam Gössner, anspielt – es muss nicht sein. Aber wer will es dem Charmebolzen verübeln? So ist er, der Felix – stets für jeden Blödsinn zu haben. Er ist inzwischen 30 Jahre alt, aber manchmal gefühlt auch erst 18.

Es lässt sich wohl auch auf seinen Hang zu jugendlichem Leichtsinn zurückführen, dass er sich die Winterspiele in Sotschi zerstörte. Bei der Anreise knallte Neureuthers Auto auf Glatteis am frühen Morgen gegen die Leitplanke. Also erschien er zu den Spielen, die seine werden sollten, mit Halskrause doch arg gehandicapt und schied später im Slalom dann auch aus. Er hätte die Russland-Reise auch professioneller angehen können, indem er einfach am Vorabend am Münchner Flughafen noch in einem Hotel genächtigt hätte.

Doch Neureuther ist wie er ist – und zurzeit kann man ihm sowieso wegen gar nix böse sein. Der lustige Felix fährt die Saison seines Lebens: sicher, kraftvoll, und ohne Ausfall wie früher so oft. Zuletzt wurde er Zweiter in Zagreb, es war sein neunter (!) Podestplatz nacheinander. Drei Wochen vor der Ski-WM in den USA hinterlässt er einen prächtigen Eindruck und zählt zu den favorisierten Medaillenanwärtern. Zunächst aber steht am heutigen Samstag der Riesenslalom in Adelboden an. Und am Sonntag findet der Slalom statt.

Der letzte Superstar

Die Vorfreude auf den Schweiz-Trip ist groß für den Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther. „Ich freue mich auf den Klassiker am Chuenisbärgli“, sagt er und blickt bester Dinge zurück: „Die Erinnerungen an den letztjährigen Sieg im Riesenslalom sind überragend. Der Hang ist schwierig, da muss man zu 100 Prozent bei der Sache sein“, berichtet der Rennläufer, doch fühle er sich fit und gesund. Eigentlich geht es ihm so gut wie noch nie – obwohl ihn am Anfang der Saison chronische Rückenschmerzen mächtig plagten.

Die Alpin-Abteilung des Deutschen Ski-Verbandes kann jedenfalls froh sein, dass Neureuther noch mitmacht. Er ist der einzige Star, das zeigt sich um so mehr im Jahr eins nach dem Rücktritt von Maria Höfl-Riesch. Auch Neureuthers Kollege Fritz Dopfer zeigt starke Leistungen. Ebenso gehört Viktoria Rebensburg der Weltspitze an. Doch markante Frontfiguren sind die beiden überaus sympathischen, aber auch kreuzbraven Skirennläufer eher nicht. Zu groß ist auch die Lücke vor allem bei den Frauen, die die „Eilige Maria“ hinterließ: Rebensburg besitzt zwar Klasse, doch der Rest ist nicht einmal in der Lage, die verbandsintern ausgegebene WM-Norm zu schaffen. So muss der DSV seine überfordert wirkenden Rennläuferinnen halt unqualifiziert zur WM mitnehmen, weil sich ja irgendwer unter deutscher Flagge aus dem Starthaus drücken muss.

Felix Neureuther hält als letzter Superstar die deutsche Fahne krampfhaft hoch. Jeder hätte es verstanden, wenn auch er seine von Tiefen und Verletzungssorgen geprägte Karriere beendet hätte. Aber er macht weiter. Irgendetwas treibt ihn an. Es ist womöglich das Duell mit dem Österreicher Marcel Hirscher. Beide sind in die Saison mit muskulär auffällig aufgepumpten Körpern gestartet – sie wollen es im Duell gegeneinander noch einmal wissen.

Vielleicht hat Felix Neureuther aber auch die Hoffnung, es bei den Winterspielen 2018 in Südkorea doch noch einmal zu versuchen und wie die „Gold-Rosi“ einen Olympiasieg in die Familiensammlung zu bringen. Er wäre dann offiziell 33. Aber gefühlt vermutlich erst 21.