Nach dem Desaster bei der Landtagswahl im März hatte die Parteiführung eine externe Aufarbeitung in Auftrag gegeben. Offenbar wird: Die Sozialdemokraten müssen zeitgemäßer und mutiger werden. Doch der Ausgang der Bundestagswahl eröffnet neue Chancen auch im Land.

Stuttgart - Es gibt Wähler, die ein sentimentales Gefühl mit der Sozialdemokratie verbindet. Sie würden das nicht laut sagen, aber dass sie immer noch ihr Kreuz bei der SPD machen, hat auch mit Otto Wels zu tun. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Reichstag schleuderte den Nazis vor fast 90 Jahren den Satz entgegen: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Die SPD-Abgeordneten lehnten Hitlers Ermächtigungsgesetz im Parlament ab; sonst niemand. Die Kommunisten saßen bereits in den Gefängnissen oder befanden sich auf der Flucht. Die SPD verteidigte die Demokratie, das Bürgertum verriet sie. Auch Willy Brandts Kniefall von Warschau 1970 zaubert die wohlige Emotion hervor, Anteil an einer gerechten Sache zu nehmen. Das Gefühl, für das Gute zu stehen, das heute die Grünen und ihre Freunde durchdringt, hatte einst seinen Grund in der Parteinahme für die Sozialdemokratie.