Luigi Campagna trägt durch seine kampfbetonte Spielweise viel zur Stabilität einer Mannschaft bei. Deshalb haben ihn die Stuttgarter Kickers aus Offenbach geholt. Der 31-Jährige hat bewegte Jahre hinter sich.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Das Ende des Gesprächs bringt für den langjährigen Regionalligaspieler Luigi Campagna noch eine für ihn überraschende Information: Auf die Aussage „Sie wissen ja, die fünfte Gelbe Karte zieht in der Fußball-Oberliga keine Sperre nach sich“ antwortet der Neuzugang der Stuttgarter Kickers verblüfft: „Oh, wusste ich gar nicht, ist ja super, dann kann ich ja Vollgas geben.“ Der Mittelfeldspieler sagt das mit einem sympathischen Augenzwinkern. Der 31-Jährige kennt sein Image als Bad Boy und kann nicht leugnen, dass er ein fleißiger Karten-Sammler ist, aber er weiß auch, wo die Grenzen liegen: In seiner kompletten aktiven Karriere ist er erst zweimal vom Platz geflogen.

 

Was nichts daran ändert: Aufgrund seiner kompromisslosen und kämpferischen Art will ihn keiner als Gegenspieler haben, dafür jeder als Mitspieler, zumal der Teamplayer auch eine gute Spieleröffnung vorweisen kann und durchaus auch bei der Ausführung von Standardsituationen seine Stärken hat.

Vergleich mit Vidal

Da er sich auf dem Platz zu einem Mentalitätsmonster verwandelt, wird Campagna mit dem Chilenen Arturo Vidal oder dem Belgier Radja Nainggolan verglichen. Solche „Krieger“ braucht ein Team. „Dieser Spielertyp hat uns noch gefehlt“, nennt der Sportliche Leiter Lutz Siebrecht den Grund für die Verpflichtung. Seit gemeinsamen eineinhalb Jahren beim SSV Ulm 1846 war der Kontakt nie abgerissen. Für ein Engagement bei den Stuttgarter Kickers für die neue Saison standen die beiden schon länger in Kontakt. Als klar war, dass der Regionalligist Kickers Offenbach ab sofort keinen Wert mehr auf die Dienste des Abräumers vor der Abwehr legte, schlug Siebrecht kurz vor Schließung des Transferfensters zu und verpflichtete den Wunschspieler für das Team von Trainer Ramon Gehrmann ablösefrei.

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„Ich bin sehr glücklich, dass das mit dem Stuttgarter Kickers geklappt hat, seit der Jugend wollte ich für die Blauen spielen“, sagt Campagna. Er wird bald zum dritten Mal Papa und ist froh, wieder zu Hause bei der Familie in Ilshofen wohnen zu können. Im Hohenloher Land ist der gebürtige Aschaffenburger mit den italienischen Wurzeln aufgewachsen. Von dort aus startete er seine Fußballreise. Erst noch heimatnah über die U19 des 1. FC Heidenheim, den TSV Crailsheim, den VfR Aalen, die SF Schwäbisch Hall und Viktoria Aschaffenburg. Dann aber ging’s ins Ausland. Zunächst nach Frankreich, zu Olympique Saumur, wo es in einer mit der Regionalliga vergleichbaren Spielklasse zum Beispiel auch gegen die Zweitvertretung von Paris Saint-Germain ging.

Turbulenzen in Italien

Auch wegen fehlender Sprachkenntnisse zog er weiter nach Italien, wo es abseits des Spielfelds bisweilen richtig turbulent zuging. Bei seinen Stationen Isola Capo Rizzut0 (Kalabrien) und bei NFC Orlandina (Sizilien) wurde beidesmal der jeweilige Präsident des Clubs verhaftet – „einer war Politiker und musste wegen Waffenhandel hinter Gitter“, erzählt Campagna. Bei USD Alto Tavoliere San Severo (Appulien) fand er dann sehr seriöse Zustände vor. Von den internen Turbulenzen abgesehen, sei bei all diesen italienischen Viertligisten sehr professionell trainiert worden, auch sein Geld habe er immer bekommen, es haperte vielmehr an der der Infrastruktur.

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Zum ersten Mal Vater geworden, entschied Campagna 2016 nach Deutschland zurückzukehren. Den Einstieg fand er beim West-Regionalligisten TuS Erndtebrück, weiter ging es in der Regionalliga Nord-Ost, erst bei der TSG Neustrelitz, dann bei Germania Halberstadt, unter Trainer Andreas Petersen, dem Vater von Nationalspieler Nils Peteresen.

Flitsch holt ihn nach Ulm

Alles lief zufriedenstellend, doch ein Lockruf aus Ulm zog ihn wieder zurück in die Heimat. Der damalige Ulmer und spätere Kickers-Trainer Tobias Flitsch, der mit Campagna in jungen Jahren schon beim TSV Crailsheim zusammenarbeitete, lotste den Mittelfeldmann zu den Spatzen. Keine schlechte Idee – für beide Seiten. 2018 und 2019 feierte Campagna mit dem SSV 1846 jeweils im Gazistadion auf der Waldau den Gewinn des WFV-Pokals.

Von daher hat der Neuzugang schon mal gute Erinnerungen an das Wohnzimmer der Blauen. Jetzt muss es nur noch losgehen. Campagna scharrt mit den Hufen: „Ich bin voll im Saft, da es für die Regionalligisten ja keinen Lockdown gab“, sagt Camapna. Der Mann mit dem Bad-Boy-Image will so schnell als möglich Vollgas geben.