Quarterback Aaron Rodgers von den Green Bay Packers spielt mit 37 die Saison seines Lebens. Mit dem Sieg über die Tampa Bay Buccaneers steht der Club im Superbowl – doch ohne Davante Adams wäre er nicht so erfolgreich.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart/Green Bay - 4643 Yards, 45 Touchdowns, bei nur sechs vom Gegner abgefangenen Pässen (Interception). Das ist die Visitenkarte von Aaron Rodgers aus der Saison 2010/2011 der National Football League. In dieser Runde gewann der Quarterback der Green Bay Packers die Vince-Lombardy-Trophy, und er war nach dem 31:25-Triumph über die Pittsburgh Steelers zum wertvollsten Spieler des Superbowl gewählt worden. Es war die größte Saison des Football-Profis Aaron Rodgers. Bislang. Denn in dieser Runde strahlen seine Bilanzen ähnlich hell wie damals vor zehn Jahren. Der Spielmacher steht bei 4299 Yards, bei 48 Touchdowns, bei 562 Pässen und davon lediglich fünf Interceptions – in 16 Jahren in der NFL waren die Zahlen noch nie so ausgezeichnet. Der Mann ist zwar 37, doch er ist nicht schwächer geworden mit dem Alter, sondern in der Perfektion gereift. Ein Werbeslogan von Klosterfrau Melissengeist, der längst Patina angesetzt hat, trifft auf Rodgers in dieser Saison zu: Nie war er so wertvoll wie heute.

 

Den Packers ist er 30 Millionen Euro pro Jahr bis 2022 wert. Mit dem Club trifft der gebürtige Kalifornier an diesem Sonntag (21.05 Uhr/Pro Sieben) im Conference Final der NFC auf die Tampa Bay Buccaneers um Superstar Tom Brady – der Sieger steht im Superbowl am 7. Februar in Tampa. Im Play-off zerlegte Rodgers die Los Angeles Rams mit 32:18, er setzte Runningback Aaron Jones in Szene, passte zu den Ballfängern Allen Lazard und Davante Adams und zur Not – wenn kein freier Mann zu finden war – vollendete er den Spielzug selbst und kämpfte sich in die Endzone vor. „Meiner Meinung nach ist er der Größte aller Zeiten, unabhängig davon, wie viele Super Bowls gewonnen wurden“, verkündet Packers-Receiver Davante Adams und spielte damit auf Bucs-Spielmacher Tom Brady an, der mit seinen sechs Superbowl-Siegen den Titel GOAT (Greatest Of All Time) für sich beansprucht.

Die Meinung, dass Aaron Rodgers der Begabtere der beiden Quarterbacks ist, besitzt Adams nicht exklusiv, zu dieser allgemeinen Einschätzung hat der 28-Jährige auch ordentlich beigetragen. Jeder dritte Pass des Spielmachers in dieser Saison flog in die Richtung des Wide Receivers, und der griff sich den Ball mit einer Selbstverständlichkeit, wie sich ein Kind ein angebotene Süßigkeit schnappt. Dabei war es keine Liebe auf den ersten Pass, Davante Adams benötigte zwei Jahre, bevor er sich 2016 bei den Packers als Ballfänger etablierte. Er musste sich das Vertrauen des prominenten Quarterbacks erst verdienen. „Das nötige Selbstvertrauen und diese lässige Ausstrahlung kann man nicht erlernen“, sagt Rodgers über den Lieblingskollegen, „wenn einer das so wie er umsetzt, kann er ein Superstar werden. Das ist ihm gelungen.“

44 Touchdown-Pässe hat der Oldie auf den 98 Kilogramm schweren Kerl angebracht, die Statistik der NFL belegt, dass keine andere Beziehung zwischen Quarterback und Ballfänger im Raumgewinn so produktiv war. Auch wenn die Verteidiger ahnen, welchen Spielzug die Packers anwenden, kann die Defense den vollständigen Pass oft nicht verhindern – man weiß, was passieren wird und kann nichts dagegen tun. Adams ist nicht überragend groß (1,85 Meter) und nicht sensationell schnell (4,56 Sekunden auf 40 Yards), aber er läuft seine Routen zentimetergenau und vollbringt trickreiche Körpertäuschungen wie ein Hase auf der Flucht. „Ich habe bis zur High School Basketball gespielt“, erzählt der Spitzenverdiener, der zwölf Millionen Euro pro Jahr erhält, „ich habe diese Moves ins Football übernommen, als es darum ging, die Gegner auszutanzen.“ Rodgers weiß, was er an Adams hat, sie sind weit mehr als Kollegen, sie sind, was man „best Buddys“ nennt. „Das hat unser Zusammenspiel weiter verbessert“, betont Rodgers, „er ist unglaublich, einzigartig. Mein Respekt hört gar nicht auf zu wachsen.“

Respekt musste sich auch der Spielmacher in Green Bay erst verdienen, von 2005 bis 2008 war Rodgers Ersatzmann von Brett Favre, und nach dessen Rücktritt wurde der Nachfolger stets mit der Legende verglichen. Doch als Favre den Rücktritt vom Rücktritt erklärte, hielt der damalige Packers-Headcoach Mike McCarthy an Rodgers fest. Zu Beginn dieser Saison schien ihm das gleiche Schicksal zu drohen. Statt ihm mit starken Passempfängern zu helfen, entschieden sich die Bosse in Green Bay, lieber den jungen Quarterback Jordan Love (22) zu verpflichten – Rodgers bekam seinen Nachfolger präsentiert. „Wen auch immer sie bringen, er wird mich so schnell nicht verdrängen“, knurrte er damals. Er hat recht behalten. Unzweifelhaft, seine Saisonzahlen belegen es. Jetzt muss er nur noch Tom Brady und die Bucs ausschalten und sich am 7. Februar den zweiten Superbowl-Ring abholen.