Es ist ein Mega-Projekt quer durch Nicaragua: ein Kanal, der den Atlantik mit dem Pazifik verbinden soll. Doch jetzt gibt es erste Differenzen zwischen der Regierung und dem chinesischen Investor.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Managua - Der Traum vom eigenen Kanal ist so alt wie das Land selbst. Manche sagen, sogar die spanischen Eroberer hatten vor 500 Jahren schon damit geliebäugelt, Pazifik und Atlantik auf dem Gebiet des späteren Nicaragua zu verbinden. Zu verlockend war die Idee, das Gold aus Peru ohne die mühselige Reise um Kap Hoorn schnell nach Spanien bringen zu können. Am hartnäckigsten aber verfolgten lange die USA den Plan eines Nicaragua-Kanals. Um 1890 hatten US-Ingenieure das Land bereits vermessen und Landkarten erstellt. Im damaligen Greytown, heute San Juan, im Süden Nicaraguas an der Mündung des San-Juan-Flusses, wurden Unterkünfte, Werkstätten und ein Krankenhaus errichtet. Urwald wurde abgeholzt und sogar eine erste Meile Kanalbett fertiggestellt.

 

Aber was lange währt, wird eben nicht immer gut. Wegen politischer Instabilität Nicaraguas und weil sie in Panama ihren ganzen Einfluss geltend machen konnten, bauten die USA den Kanal an der Nahstelle zwischen Zentral- und Südamerika. Und für Nicaragua platzte der Traum damals.

Präsident Ortega will eine Wasserstraße zwischen den Ozeanen

An all diese Last der Geschichte muss sich Daniel Ortega diesen Sommer erinnert haben, als er gemeinsam mit seiner sandinistischen Regierungspartei FSLN und einem chinesischen Milliardär die Idee des „Großen Kanal“ aus der Taufe hob. Geht es nach dem Willen des Präsidenten, dann bekommt Nicaragua doch noch seine eigene Wasserstraße zwischen Pazifik und Atlantik. Das Parlament in Managua stimmte im Juni mit großer Mehrheit einer Regierungsvorlage zu, die den Bau eines Kanals vorsieht. Geplanter Baubeginn für das Mega-Projekt, das rund 40 Milliarden Dollar (30,3 Milliarden Euro) kosten soll, ist in einem Jahr. Zu dem Kanalprojekt gehören auch eine Eisenbahnlinie, zwei Flughäfen sowie eine Ölpipeline. Ortega rechtfertigt das Projekt mit den Chancen für die Entwicklung seines Landes.

Finanziert wird der zweite interozeanische Wasserweg in Zentralamerika von dem chinesischem Konsortium „HK Nicaragua Canal Development Investment Co. Limited“ mit Sitz in Hongkong. Dahinter verbirgt sich der chinesische Telekom-Milliardär Wang Jing. Den Plänen zufolge soll die Wasserstraße in zehn Jahren fertig gestellt werden. Das chinesische Konsortium soll dann für mindestens 50 Jahre die Betreiberrechte erhalten. In Kürze will Wang die Investoren aus China, Europa und den USA bekanntgeben.

Noch ist unklar, ob es sich um eine Schnapsidee handelt oder ein machbares Projekt mit Zukunft, rund 1000 Kilometer nördlich des Panama-Kanals. Der ehemalige Verwalter der Wasserstraße, Alberto Alemán Zubieta, hält das Projekt für sinnlos. Die Verbindung durch Nicaragua sei mit rund 190 Kilometern doppelt so lang wie das Gegenstück in Panama. Zudem seien massive Tidenunterschiede auszugleichen. Auch Politiker und Umweltschützer in Nicaragua kritisieren das Projekt, das ohne wirkliche Debatte mit der Mehrheit der Regierungspartei durchs Parlament geboxt wurde. Hauptkritikpunkt ist, dass die beiden möglichen Routen entweder Auswirkungen auf die Umwelt haben oder zu Streit mit dem Nachbarn Costa Rica führen.

Der chinesische Investor prescht mit einer Route vor

Zudem deuten sich schon erste Differenzen zwischen dem Investor aus Fernost und der Regierung in Managua an. Vor ein paar Tagen preschte Wang vor und erklärte, die Kanal-Route sei festgelegt. Die Wasserstraße solle von der Hafenstadt Brito am Pazifik durch den Nicaragua-See nach Bluefields an der Karibikküste führen, sagte Wang der britischen Zeitung „The Telegraph“. Umgehend ließ dies die Regierung in Managua dementieren. „Ich glaube nicht, dass diese Route bereits definitiv ist“, sagte der Wirtschaftsberater der Regierung, Bayardo Arce, der Zeitung „El Nuevo Diario“. Man müsse das Ergebnis der Machbarkeitsstudie abwarten.

Nutzt man den See, wird der gerade erblühende Tourismus massiv gestört; zudem betonen Umweltschützer, dass der Nicaragua-See das größte Süßwasserreservoir Zentralamerikas ist. „Ich übernehme die Verantwortung für alle Umweltschäden“, versprach unterdessen Wang. „Wenn wir in dem Bereich einen Fehler machen, werden wir mit Schimpf und Schande in die Geschichtsbücher Nicaraguas eingehen.“ Aber auch die Alternativroute über den Grenzfluss San Juan birgt Risiken. Spannungen mit dem südlichen Nachbarland Costa Rica sind vorprogrammiert, denn der Flusslauf ist seit ewigen Zeiten Streitpunkt zwischen den Nachbarn.