Der Satiriker Nico Semsrott hat im Theaterhaus sein Programm „Freude ist nur ein Mangel an Information“ präsentiert

Stuttgart - Mitunter bröckelt die Fassade. Der Mann im dunklen Kapuzenpullover grinst, unterdrückt ein Kichern, kanalisiert es in ein amüsiertes Schnauben. Verheerend für den selbsternannten Demotivationscoach Nico Semsrott. Beschämt zieht er einen Geldschein aus der linken Hosentasche und steckt ihn in die rechte. Eine selbstauferlegte Bestrafung: Jeder eigene Lacher kostet ihn einen Fünfer, den er eben nicht für einen guten, sondern für einen schlechten Zweck spenden muss. Das Geld geht an die Junge Union.

 

Als depressiver Brillenträger mit schwacher Stimme hat sich Nico Semsrott vom Poetry Slammer zum Sidekick der Heute-Show aufgeschwungen. Für die „Partei“ zog er im vergangenen Jahr mit Slogans wie „Wir geben der Krise ein Gesicht“ und „Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt“ in den Bundestagswahlkampf. Am Dienstag spielte er in Stuttgart sein Programm „Freude ist nur ein Mangel an Information“, das er immer wieder aktualisiert. Inzwischen ist man beim Update 3.0 angelangt. Für die Räumlichkeiten des Veranstalters, der Rosenau, ist Semsrott schon zu populär. Daher wich man ins Theaterhaus aus. Die Karten waren flugs vergriffen, einen weiteren Termin im November hat man bereits angesetzt.

Die Nachteile von Stadt und Land

Wer Semsrott noch immer nicht kennt, wird von ihm rasch ins Bild gesetzt: 1986 geboren in Hamburg, wuchs er am Stadtrand auf. Dieser verbinde die Nachteile von urbanem und ruralem Lebensraum: das kulturelle Angebot des Landes und den Lärm der Stadt. Nach der Schulzeit und eine Schülerzeitung später, deren Verkauf von der Schulleitung verboten wurde, studierte er Soziologie. Allerdings nicht lange. „Ich habe das Studium nach sechs Wochen abgebrochen, um mich meiner Depression zu widmen.“ Er habe aber, sagt Semsrott, glücklicherweise nach einem kurzen Realitätscheck seine Stärken erkannt: Zweifeln, Resignieren, andere Menschen demotivieren. Da seien für ihn nur noch zwei Jobs infrage gekommen: SPD-Chef oder eben Demotivationstrainer.

Doch nicht mal das kann er. Denn sein Auftritt ist alles andere als demotivierend, ist man hernach doch bestrebt, sein Leben in den Dienst der Aufklärung zu stellen, der schlaffen, so gar nicht aufrüttelnden Körperhaltung des Satirikers zum Trotz. Wo andere Bühnenkünstler auf große Gesten setzen, schlurft Semsrott umher, lässt den Kopf hängen, zuckt die Schultern. Dabei entlarvt er auf simple, aber unterhaltsame Art Fanatiker und Faschisten. Während etwa die wachsende Ungleichheit diverse Ursachen wie ein ungerechtes Erbrecht, eine alternde Gesellschaft und die Finanzkrise habe, forderten Rechtspopulisten schlicht: „Ausländer raus!“ Und das, obwohl dieser Lösungsansatz mit keinem der Probleme zusammenhänge. „Eine kreative Leistung“, lobt der 31-Jährige. Dass die CSU zudem ungeachtet der Tatsache, dass beinahe alle Attentate auf dieser Welt von Männern ausgeübt werden, zur Stärkung der inneren Sicherheit ein Burka-Verbot für Frauen fordert, preist Semsrott als „zielgenauen Ansatz“.