In Japan gab es sogar eine Comicfigur von ihm: Nissan-Chef Carlos Ghosn war wegen seiner zupackenden Art Vorbild für viele Jung-Manager. Jetzt hat seine Karriere eine dramatische Wendung genommen.

Tokio - Carlos Ghosn heißt mit Spitznamen „Le Cost-Killer“ und ist als Manager ein Thema bewundernder Bücher. Vor zwei Jahrzehnten stieg er zum Chef des japanischen Autokonzerns Nissan auf, trimmte ihn auf Profitabilität und führte das Unternehmen mit zukunftweisenden Produkten an die Weltspitze. Jetzt folgte der tiefe Fall: Am Montag haben Staatsanwälte den 64-Jährigen in Tokio festnehmen lassen.

 

Das Unternehmen selbst wirft ihm vor, bei seinem Gehalt getrickst zu haben. Zuvor hatte ein Firmeninsider die mutmaßlichen illegalen Praktiken des Chefs aufgedeckt. Die Polizei durchsuchte Büros des Unternehmens in Yokohama und transportierte Akten und Computer-Festplatten ab. Ghosn ist auch Chef des französischen Partnerunternehmens Renault und des kleineren Wettbewerbers Mitsubishi. Der Verhaftung war eine interne Untersuchung bei Nissan vorangegangen, teilte das Unternehmen am Montag in Tokio mit. Ghosn habe viele Jahre lang seine eigenen Einkünfte im Geschäftsbericht zu niedrig ansetzen lassen. „Außerdem sind bei näherer Untersuchung auch andere Formen des Fehlverhaltens aufgefallen“, wie Nissan zugibt. So habe Ghosn die Ressourcen der Firma für Privatzwecke genutzt.

Ghosn schlachtete heilige Kühe – reihenweise

Ghosn ist einer der bekanntesten Automanager der Welt. Er wurde in Brasilien als Sohn libanesischer Eltern geboren. Seinen Berufseinstieg absolvierte er bei dem Reifenhersteller Michelin. Später wechselte er zu Renault, wo er schnell in Spitzenpositionen aufstieg. Nach Beginn einer Kooperation mit Nissan wurde er Chef des japanischen Traditionsunternehmens.

Ghosn löste in Japans Industrie ein Erdbeben aus. Als Ausländer scheute er sich nicht, heilige Kühe zu schlachten. Er löste Abteilungen auf, schaffte Vergünstigungen für altgediente Mitarbeiter ab und beförderte eine neue Generation dynamischer Manager an die Schaltstellen des Unternehmens – und das in einer Kultur, die bis dahin vor allem ein hohes Dienstalter respektiert hatte. Durch radikale Vorgaben senkte er jährlich die Kosten um mehrere Prozent. Ghosn gebärdete sich jedoch nicht als Erbsenzähler. Er führte mit Charisma, nicht mit Zahlen. In Japan gab es Fernsehserien und Comics über ihn. Er wurde zum Vorbild einer ganzen Managergeneration. Ghosn enttäuschte in den folgenden Jahren die Anleger nicht und setzte die Modernisierung auch auf der Produktseite fort. Der Nissan Leaf war das weltweit erste Elektroauto in ernst zu nehmender Massenproduktion. Auch heute noch hat der Leaf als einziges in Deutschland erhältliches E-Auto die nötigen Funktionen, um als Stromspeicher zu einem Teil intelligenter Netze zu werden.

Vielen war sein Gehalt zu üppig

Umso größter ist nun der Schock. Die Aktie des Unternehmens brach sofort ein, als die Nachricht über den Ticker lief. „Nissan distanziert sich von Ghosn“ – diese Schlagzeile löst in Japan nun ein neues Erdbeben in Industriekreisen aus. Jetzt geht das Rätselraten los. Warum sollte ein Spitzenverdiener an seinem Gehalt drehen? Wie konnte jemand wie Ghosn so ungeschickt agieren? Über der Vergütung Ghosns stand jedoch schon seit Jahren eine Reihe von Fragezeichen. Den bisher veröffentlichten Firmenzahlen zufolge verdiente er im vergangenen Jahr in Japan 962 Millionen Yen im Jahr (ca. 7,4 Millionen Euro). Dazu kommt in Europa bei Renault noch einmal die gleiche Summe. Die französische Regierung als Hauptaktionär fand dieses Gehalt zu üppig und verlangte eine Senkung. Auch in Japan gelten 15 Millionen Euro pro Jahr als exorbitant hoch.

In Tokio wird nun darüber diskutiert, ob Ghosn die Zahlen daher niedriggetrickst und Einkünfte auf weiteren Kanälen bezogen hat. Analysten sind sich jedenfalls einig, dass ein Sturz Ghosns ein schwerer Schlag für Nissan-Renault wäre. „Die Verhaftung fügt dem Image von Nissan, Mitsubishi und Renault schweren Schaden zu“, sagt Tatsunori Kawai von dem Aktienportal Kabu der Zeitung „Nihon Keizai“. Ein Abgang des gefeierten Topmanagers werde auch laufende Projekte behindern, warnt auch Fondsmanager Koji Uchida von dem Finanzkonzern Mitsubishi UFJ. In der Führungsetage drohe nun Chaos.