Frank Nopper kündigt bei seinem Streifzug durch die Stadtmitte an, in Zukunft alle zwei Jahre einen Rundgang durch alle Bezirke zu machen: . „Die Leute müssen spüren, dass der Oberbürgermeister für sie da ist.“ Zudem sei er dadurch „stärker sensibilisiert für die wichtigsten Themen“.

Stuttgart - Für wenige ist es der Tag der Abrechnung. Einmal laut seinen Frust abladen. Und das direkt beim Oberbürgermeister auf einem seiner Rundgänge durch alle Stadtbezirke. Die Chance nutzte auch ein Anwohner des Kernerviertels. Was ihn plagt, plagt viele: die Parkplatznot in der Stadtmitte. Aber wenn diese Not aus Sicht der Autofahrer durch soziokulturelle Projekte wie das Kulturcafé (Urbanstraße 64) künstlich verknappt wird, dann platzt so manchem der Kragen. Dann wird der Ton rau, die Schuldfrage schnell geklärt. In diesem Fall hatte der Bürger Veronika Kienzle im Visier. Schließlich sei sie es, die in ihrer Funktion als Bezirksvorsteherin Mitte angeblich über die Interessen und Köpfe der Bürger hinweg handle. Und als Kienzle dieses Modell „Labyrinth“, das zwischen Nachbarschaftsprojekt und Jugendarbeit angesiedelt ist, auch noch ein „Kleinod“ nennt, brennt so manchem die Sicherung durch.

 

Bürger wünschen sich Parkplätze

Für OB Frank Nopper sind an diesem Morgen auch solche Scharmützel wichtig. Geht es ihm doch darum, den Puls der Stadt und den Nerv der Bürger zu erspüren. Und natürlich will er mit so vielen Menschen wie möglich ins Gespräch kommen. Doch auch bei diesem Rundgang durch die Stadtmitte ist es gar nicht gefragt, lange und intensive Dialoge mit dem ersten Mann der Stadt zu führen. Viel wichtiger ist den meisten Bürgern, dass sie einem Entscheidungsträger direkt ihre Sorgen und Nöte mitteilen können. Sie wollen in erster Linie gehört werden.

Dafür zeigt Frank Nopper ein enormes Gespür. Er saugt die Berichte an den verschiedenen Haltepunkten wie ein Schwamm auf. Und damit nichts verloren geht, protokolliert sein persönlicher Referent jede Silbe mit. Ganz gleich, ob das Anliegen aus dem Mund eines Bezirksbeirates, eines Funktionärs oder eines Bürgers kommt. Manches davon ist dem OB bekannt, bei manchem ist er erstaunt und signalisiert sofort Hilfe. Etwa den Bewohnern, deren Häuser durch die Arbeiten der Bahn für S 21 Schaden genommen haben. Der Jurist Nopper zieht die Augenbrauen nach oben, als er erfährt, dass die Beweislast für die Ursache der Schäden bei den Eigentümern liege. Auch hier, wie bei allen Anliegen, mischt sich Veronika Kienzle als Anwältin der Bürger ein: „Die Bahn muss sich diesen Schäden stellen. Die Beweispflicht muss umgedreht werden.“ Nopper sieht das sofort ein und pocht auf ein gemeinsames Gespräch zwischen einem Bahnvertreter, der Stadt und den betroffenen Bürgern.

CDU schlägt unterirdische Glascontainer vor

Nicht immer enden die Fälle mit dieser Entschiedenheit. Oft nickt Nopper nur zustimmend. Etwa bei den Wünschen der Bezirksbeiräte. Darunter Wolfgang Kaemmer (Grüne), der den Wilhelmsplatz als „Unort“ bezeichnet und eine Aufwertung fordert. Auch in diesem Fall springt Veronika Kienzle dem OB zur Seite und moderiert die Anliegen. Aus den ehemaligen Kontrahenten im OB-Wahlkampf scheinen Verbündete für die Sache Stuttgart geworden zu sein. „Hier gibt es bereits Planungen zur Umgestaltung“, erklärt die Bezirksvorsteherin zum Wilhelmsplatz.

Gleiches beim Anliegen von Sebastian Erdle (Puls): Kienzle bestätigt die Dringlichkeit beim „ruhenden Verkehr im Heusteigviertel“. Dort würden vor allem Leute wild parken, die gar nicht im Viertel wohnten, sondern in der Stadt ausgehen.

Mit Interesse hört sich der OB den Vorschlag von Klaus Wenk (CDU) an. Er macht sich für sogenannte Unterglascontainer stark. Die seien „ruhiger, sauberer, stehen nicht oben und haben das dreifache Fassungsvermögen von normalen Containern“.

Kurz vor dem Ende des Rundganges im Rotlichtviertel nimmt sich Frank Nopper erstaunlich viel Zeit. Gebannt hört er im „Seifen Lenz“ an der Esslinger Straße dem Inhaber Heinz Rittberger zu. Kienzle nennt Rittberger „das fleischgewordene Gedächtnis der Stadt“ und einen „unglaublichen Menschen“. Nopper lässt sich sofort in den Bann dieses Ur-Stuttgarters und seiner Geschichten ziehen, der als Bub im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs die Zerstörung „seiner“ Leonhardskirche miterleben musste.

Aber das wohl wichtigste Thema im Sinne der Stadtentwicklung erwartet den OB am Züblin-Parkhaus. Dort hört Nopper von allen Beteiligten, dass es nicht nur um die Frage über den Abriss des Parkhauses oder die Entwicklung im Bestand gehe, sondern um viel mehr: Etwa um Bürgerbeteiligung, um moderne und menschengerechte Quartierentwicklung, bezahlbares Wohnen sowie die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen. In diesem Reigen formulierte Bezirksbeirätin Mihaela Manachidis (SPD) den dringenden Bedarf eines neuen Jugendhauses in der Leonhardsvorstadt.

Carlo wünscht sich eine Eisdiele

Dass Kinder gefragt werden sollten, zeigte auch der sechsjährige Carlo. „Ich wünsche mir hier eine Eisdiele“, sagte er zum OB, der sich nicht nur in diesem Augenblick in seiner Haltung bestätigt fühlte: „Die Leute müssen spüren, dass der Oberbürgermeister für sie da ist. Es war wichtig, diese Rundgänge zu machen, weil ich jetzt noch stärker für die wichtigsten Themen sensibilisiert bin.“ Zudem kündigt er an: „Ich will von nun an alle zwei Jahre solche Rundgänge machen. In dieser Zeit sollten wir versuchen, so viel wie möglich dieser Projekte voranzubringen.“