Es kann ein Problem sein, zwei Alphatiere im Team zu haben. Muss es aber nicht. Eric Frenzel und Johannes Rydzek sind stark genug, die nordische Kombination weiterhin zu dominieren. Auch, weil sie sich gegenseitig antreiben.

KUUSAMO/Stuttgart - Egal ob Athleten, Trainer, Betreuer, Serviceleute oder Pressesprecher, in einem Punkt sind sich alle einig bei den deutschen Kombinierern: Der vergangene Winter ist nicht zu toppen. Er bleibt einmalig. Außergewöhnlich. Unerreichbar. Und trotzdem gibt es keinen Grund, es nicht wenigstens zu versuchen. Schließlich gilt auch in der neuen Saison, die am Wochenende im finnischen Kuusamo beginnt: Wer auf der Schanze und in der Loipe erfolgreich sein will, muss erst mal die Deutschen schlagen. Allen voran Johannes Rydzek und Eric Frenzel. „Die beiden“, sagt Bundestrainer Hermann Weinbuch, „sind unsere Chefs.“

 

Rydzek gewann 2017 alle vier WM-Titel, Frenzel zum fünften Mal nacheinander den Gesamtweltcup, zudem teilten sie die Siege bei 18 der 23 Weltcuprennen unter sich auf. Das war sensationell, und doch ist nicht ausgeschlossen, dass eine weitere Saison der Superlative folgt. Weil beide gesund über den Sommer gekommen sind, noch mal einige Trainingskilometer draufgepackt haben. Und weil beide trotz der großen Erfolge längst nicht zufrieden sind. „Die zwei“, sagt der Bundestrainer, „haben den Trieb und die Entschlossenheit, die nötig ist, um der Beste der Welt zu sein.“

Bleibt allein die Frage: Wer ist der Allerbeste – Frenzel oder Rydzek?

Derzeit gibt es darauf keine Antwort. Weder von den beiden Alphatieren, und auch nicht von ihrem Dompteur Weinbuch. Allerdings lobt der Coach die Qualitäten seiner Topathleten. Hier Olympiasieger Eric Frenzel (29), der seit knapp zehn Jahren zur Weltspitze gehört und umso gelassener zu werden scheint, je höher der Druck ist. Ein Routinier, der nie den Glauben an sich selbst verliert. Dort Johannes Rydzek (25), der Draufgänger, der auch als Vierfach-Weltmeister von Lahti 2017 noch Luft nach oben hat, sich zuletzt im Springen steigerte und mental noch mal stabiler geworden ist. „Als Trainer“, sagt Weinbuch, zu dessen Team auch noch Weltklasseleute wie Fabian Rießle oder Björn Kircheisen gehören, „muss man sehr viel Glück haben, um mit einer Mannschaft in diesen Leistungsbereich zu kommen.“

Glück – und ein feines Händchen.

Denn natürlich gibt es in jedem Betrieb, in jeder Partnerschaft, in jedem Sportteam mit zwei Chefs auch mal Eifersüchteleien, Meinungsverschiedenheiten, Zankereien. Weshalb die Trainer penibel darauf achten, keinen ihrer Superstars zu bevorzugen, jedem gleich viel Aufmerksamkeit und Respekt zu schenken, möglichst wenige taktische Vorgaben zu machen. Und wenn es mal Diskussionsbedarf gibt, egal ob wegen eines verwachsten Skis, harten Überholmanövers oder abgebrochenen Stocks, wird geredet. Sofort. „Wir haben Probleme bisher immer zeitnah gelöst“, sagt Weinbuch, der aber einräumt: „Manchmal ist es schon spannungsgeladen.“ Das macht den Umgang nicht einfach. Einerseits. Doch andererseits gilt für die beiden besten deutschen Kombinierer: Auch Reibung erzeugt Energie.

Frenzel und Rydzek betonen bei jeder Gelegenheit, wie gut sie sich verstehen. Wie wichtig Harmonie in einem Team sei, das 200 Tage im Jahr beisammen ist. Sie sagen aber auch, dass es sie motiviert, ständig mit dem härtesten Konkurrenten zu arbeiten. „Wir versuchen, gemeinsam voranzukommen“, erklärt Frenzel, „das pusht, man holt noch mal mehr aus sich heraus. Man optimiert immer, vielleicht auch unterbewusst.“ Und Rydzek meint: „Die Dynamik in unserem Team ist ein großer Gewinn für uns alle. Wir treiben uns gegenseitig an, freuen uns aber auch über Erfolge von Kollegen, weil jeder weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt.“

Man muss als deutscher Kombinierer gönnen können, was in der neuen Saison wichtiger denn je werden könnte. Frenzel holte im Februar in Lahti zwar zwei Gold- und eine Silbermedaille, in den beiden Einzelwettbewerben aber verpasste er den WM-Titel. Der Mann aus dem Erzgebirge begründet dies damit, sich eher auf den fünften Sieg im Gesamtweltcup konzentriert zu haben. Und kündigt zugleich an, den Fokus im nächsten Winter voll auf die drei Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen im Februar in Pyeongchang zu richten. „Mein Ziel ist, so viele Medaillen wie möglich zu holen“, erklärt Frenzel, „am besten drei mal Gold.“

Ähnliche Ansagen sind von Rydzek nicht zu hören, aber klar ist: Bei Olympia will auch er nicht leer ausgehen, erst recht nicht im Einzel. Und gleichzeitig schielt der Oberstdorfer natürlich auf seinen ersten Triumph im Gesamtweltcup – 2017 hatte er sich im Kampf um die große Kristallkugel erst am letzten Wochenende in Schonach geschlagen geben müssen. „Da hat er noch eine Rechnung offen“, meint Bundestrainer Weinbuch, der allerdings auch sagt: „Man muss für Erfolge hart arbeiten, aber man kann sie nicht planen. Es muss einfach geschehen.“

Wie im vergangenen Winter, als es vor allem Rydzek und Frenzel ordentlich laufen ließen. Nun geht das Duell der weltbesten Kombinierer in die nächste Runde.