Ein Jahr nachdem die Sex Pistols in England mit ihrem neuen Musikstil Punk Furore gemacht hatten, trat 1978 die Gruppe Normahl in einem Stuttgarter Gymnasium auf. 1980 erschien die erste CD. Sie gilt als älteste Punkband Deutschlands.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Leutenbach - Was hat ein Spottlied aus dem 19. Jahrhundert mit einer 35 Jahre alten Punkband zu tun? Nun, unter anderem, dass „Es, es, es und es, Herr Meister, leb er wohl“ auf der neuen Normahl-CD zu finden ist, die am Freitag im Stuttgarter Club Universum vorgestellt wird. Die „Umdrehungen“ des Liedes sind ein bisschen schneller als vor 200 Jahren, der Text ist jedoch derselbe. „Da reibt es einer seinem Meister richtig rein“, sagt Lars Besa grinsend, der mittlerweile selbst Handwerksmeister und Chef des elterlichen Installationsbetriebs in Leutenbach ist.

 

Büchner, Joe Dassin und Reinhard Mey in der Punkversion

Dass er und seine drei Bandkollegen Scobo Skobowski, Manny Rutzen und Mick Scheuerle über die Jahre etwas von ihrem Biss als Punkband verloren hätten, dieser Schluss wäre ein Trugschluss. So trägt die neue CD nicht nur das Georg-Büchner-Zitat „Friede den Hütten – Kampf den Palästen“ als Titel. Sie birgt auch den rebellischen Geist Büchners, in eigenen Liedern wie „Freiheit“ oder „Söldner“, aber auch in Cover-Versionen wie „Kapitalistenlied“ von Georg Kreisler, „Dieser Sänger braucht nur ein Chanson“ von Joe Dassin oder „Das Narrenschiff“ von Reinhard Mey – in der Punkversion versteht sich, was den Klassikern eine ganz neue Note gibt.

„Punk ist der einzige Musikstil, die einzige Jugendbewegung, die nie in die Krise gekommen ist. Da steckt immer noch Bewegung drin. Für Castingshows eignet sich Punk deshalb nicht“, sagt Lars Besa. Tatsächlich findet die Punkkultur Generation auf Generation ihre Anhänger unter jungen Menschen. Heute haben sie es etwas leichter als „Ahnherren“ wie die Normahl-Musiker, als sie 1978 zum ersten Mal im Stuttgarter Karls-Gymnasium aufgetreten sind und deshalb – ein Jahr nach dem Wirbel um die Sex Pistols – als die älteste Punkband Deutschlands gelten.

Familienministerin Merkel als Festival-Schirmherrin

1980 beim Leutenbacher „Lehmfescht“ hatte Normahl dann das erste Heimspiel. „Diese Gruppe übertrieb dann aber maßlos, denn sie wollte überhaupt nicht von der Bühne. Erst als man ihnen den Saft abdrehte, beendeten sie ihren wilden Auftritt“, hieß es hernach im Amtsblatt, das seinen Lesern erklärte, die Musikrichtung der Gruppe stamme aus England und werde Punk genannt. Und der Sänger gebärde sich wie Mick Jagger.

Zehn Jahre und einige CDs später war Normahl in der Szene etabliert. Zusammen mit dem Süddeutschen Rundfunk (SDR), dem Stadtmagazin „Prinz“ und dem Musikverleger Hans Derer organisierte die Band 1992 das Festival Kein Hass im Wilden Süden. Dieses gilt bis heute als bundesweit größte Aktion gegen Rassismus und Gewalt. Schirmherrin war die damalige Bundesfamilienministerin Angela Merkel. Der Anlass für das Konzert waren die fremdenfeindlichen Anschläge von Hoyerswerda im Herbst 1991.