Nach dem Fährunglück in der Adria werden die Vorwürfe gegen die Besatzung der "Norman Atlantic" lauter. Hat sich die Crew nicht ausreichend um die Passagiere gekümmert?

Rom - Die Vorwürfe der Passagiere der havarierten Adria-Fähre "Norman Atlantic" werden lauter. "Es war wie in der Hölle, die ganze Zeit Rauch, Rauch, Rauch", sagte die Überlebende aus München, Ute Kilger.

 

"Die Crew war nicht anwesend, es gab keinen Ansprechpartner, niemanden, der Informationen hatte, niemanden, der einen beschützt hat." Das Wrack der Adria-Fähre wird in der süditalienischen Stadt Brindisi erwartet. Befürchtet wird, dass in den Decks mehr Opfer sind, da sich auf der Fähre laut Behörden blinde Passagiere versteckt hatten. Der Kapitän der Fähre wurde mehrere Stunden von der Staatsanwaltschaft befragt.

Das Feuer war am Sonntag nordwestlich der griechischen Insel Korfu im Fahrzeugdeck ausgebrochen. 427 Menschen wurden nach mehr als 36 Stunden voller Angst und Panik gerettet, mindestens 13 Menschen starben, darunter zwei Einsatzkräfte. Die Abschleppaktion des Schiffs der griechischen Anek Lines gestaltete sich wegen hoher Wellen und schlechtem Wetter sehr schwierig.

Kapitän stundenlang befragt

Der Kapitän Argilio Giacomazzi wurde nach der Ankunft in Brindisi in der Nacht mehr als fünf Stunden befragt. Gegen ihn und die italienische Reederei Visemar, die das Schiff verchartert hatte, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und Herbeiführens einer Havarie. Laut Nachrichtenagentur Ansa erklärte der Kapitän, zunächst wie vorgesehen die Besatzung alarmiert und dann - um keine Panik auszulösen - den Alarm im ganzen Schiff ausgelöst zu haben. Passagiere hatten kritisiert, dass es keinen Alarm auf der Fähre gegeben habe.

Spekuliert wird weiter über die Ursache des Feuers, das im Fahrzeugdeck ausbrach. Dort waren laut Zeugen viele Laster mit Olivenöl geparkt. Spekulationen, wonach blinde Passagiere sich mit einem Feuer wärmen wollten und so den Brand auslösten, bestätigten die Behörden bisher nicht.

Alles sei voll mit Olivenöl gewesen, sagte auch die Münchnerin Kilger. Auch sie sei mit einem Bekannten aus München in Griechenland zur Olivenernte gewesen.

"Das Schiff war alt und klein"

Beim Betreten des Schiffes habe sie bereits ein schlechtes Gefühl gehabt, sagte die 54-Jährige. "Das Schiff war alt und klein, nicht wie eine richtige Fähre." Eigentlich hätten sie ein anderes Schiff gebucht.

In der Nacht sei sie dann von Schlägen geweckt worden. "Auf den Gängen liefen Leute rum, es wurde lauter. Ich habe Rauch gerochen. Es war Rauch im Treppenhaus, das Licht ging aus." Als sie sich auf Deck geflüchtet habe, habe es panikartige Szenen und Rangeleien gegeben. "Es gab Angst, sehr viel Angst. Alle wollten auf Rettungsboote. Familien schrien."

Auf einer Seite des Schiffs seien Rettungsboote verbrannt. Erst nach Stunden wurde Kilger von einem Hubschrauber nach Brindisi geflogen. "Im Großen und Ganzen muss man glücklich sein, dass so viele Menschen gerettet wurden", sagte sie und dankte ausdrücklich ihren italienischen Rettern.