Die Stuttgarter Notärzte sind jetzt mit EKG-Geräten ausgestattet, die Patientendaten direkt an die Kliniken übermitteln. So wird im Notfall lebenswichtige Zeit gespart.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Als würde ein schwerer Stein auf der Brust lasten. Die Schmerzen strahlen in die Schulter, den Arm, den Unterkiefer und manchmal auch in den Bauch aus. Die Patienten sind unruhig, brechen in Schweiß aus, sind blass. Das sind typische Symptome für einen Herzinfarkt. Wer an ihnen leidet, sollte vor allem eines tun: sofort den Notarzt rufen. „Bei einem Herzinfarkt kommt es auf jede Minute an, es ist wichtig, schnell zu reagieren“, betont der Kardiologe Hartmut Hanke, Chefarzt am Karl-Olga-Krankenhaus.

 

Auch in der Rettungskette ist es ein Rennen gegen die Zeit – wobei sich die Bedingungen in Stuttgart nun für die Infarktpatienten verbessert haben. Seit diesem Monat sind die Stuttgarter Notärzte flächendeckend mit besonders modernen EKG-Geräten ausgestattet. Diese Geräte ermöglichen eine sogenannte telemetrische Datenübertragung. Der Notarzt kann das Elektrokardiogramm nun direkt an die Fachärzte in der Klinik übermitteln und muss dieses nicht mehr – wie vorher üblich – mündlich beschreiben.

Hilfsfristen werden eingehalten

Weil die Fachärzte in der Klinik die Daten vorliegen haben, können sie sofort einschätzen, wie schwerwiegend der Fall ist. Während der Patient noch in der Anfahrt sei, könne in der Klinik bereits die Operation vorbereitet werden, so dass das Katheterteam bei Ankunft bereitstehe, erläutert Hanke bei der Vorstellung der neuen Technik am Dienstag auf dem Gelände der Feuerwache 5 in Degerloch. Die Anfahrtszeit wird vom Team in der Klinik bereits genutzt. „Im Einzelfall hängt das Überleben des Patienten von diesen eingesparten Minuten ab“, sagt der Kardiologe.

Auf Hankes Initiative hin ist die neue Technik eingeführt worden, die in anderen Großstädten wie Frankfurt und München bereits im Einsatz ist. „Das ist ein weiterer Schritt, um in Stuttgart Leben retten können“, sagte Ordnungsbürgermeister Martin Schairer, der zudem die positive Entwicklung bei den Hilfsfristen ansprach. Laut dem leitenden Notarzt der Stadt, Albrecht Henn-Beilharz, seien die Notärzte im Schnitt nach sieben bis acht Minuten vor Ort. Die Landesvorgabe, in 95 Prozent aller Fälle innerhalb von 15 Minuten beim Patienten zu sein, werde erfüllt.

Patienten warten zu lange, bis sie den Rettungsdienst rufen

Henn-Beilharz weist darauf hin, dass die alten EKG-Geräte turnusgemäß ohnehin hätten ausgetauscht werden müssen. Die durch die moderne Technik anfallenden Mehrkosten würden pro Gerät zwischen 1200 und 1500 Euro betragen. „Wir haben uns die Telemetrie gewünscht“, sagt Henn-Beilharz. Über ein Rädchen kann der jeweilige Notarzt die nächstgelegene von vier beteiligten Kliniken auswählen: das Katharinenhospital, das Karl-Olga-Krankenhaus, das Robert-Bosch-Krankenhaus und das Marienhospital. Nur noch ein weiterer Klick und die Daten sind versendet.

„Leider warten Patienten häufig zu lange, bis sie sich melden“, sagt der Kardiologe Hanke. Frauen hätten noch schlechtere Überlebensraten, weil sie im hohen Alter oft alleine lebten und so niemand vor Ort sei, der den Arzt rufen könne. Jede Minute, die verstreicht und in der das Herzkranzgefäß verstopft ist, hat Folgen: „Geschädigtes Herzmuskelgewerbe ist unwiderruflich verloren, was kaputt ist, ist kaputt“, erläutert der Chefarzt. Für Kardiologen gelte deshalb der Spruch: „Time is muscle“, Zeit ist Muskel. Ein bis eineinhalb Stunden habe man Zeit, das Herzkranzgefäß wieder zu öffnen. „Je schneller man ist, desto besser“, sagt der Chefarzt.

Vor allem nachts haben viele Menschen jedoch Hemmungen, den Rettungsdienst zu rufen. „Sie wollen nachts den Doktor nicht wecken“, erzählt Henn-Beilharz. Der Erste Stuttgarter Notfalltag am 13. Oktober im Rathaus soll hier aufklären.