Nach dem Brand in Notre-Dame strömen die Touristen in Massen zu der Kathedrale, um Selfies zu machen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Die Touristin aus den USA ist ziemlich enttäuscht. „Man sieht von dem Schaden ja gar nichts“, ruft sie ihrem Begleiter zu und wirft sich in Pose für ein Urlaubsfoto – sie im Vordergrund, Notre-Dame dahinter. Zwei Tage ist es her, dass die Kathedrale fast ein Raub der Flammen geworden wäre. Das Dach ist völlig ausgebrannt, große Teile der Konstruktion sind ins Kirchenschiff gestürzt, Kunstschätze von unschätzbarem Wert wurden zerstört. Während Fachleute versuchen, die Schäden festzustellen, strömen schon wieder die Touristen zu dem Gotteshaus.

 

Manche Touristen regen sich auf, dass die Polizei das Gelände abgesperrt hat, aber den meisten Besuchern ist – neben der – das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Zehntausende Menschen drängeln sich an diesem sonnigen Morgen am Ufer der Seine, um den besten Blick auf das Drama zu bekommen. Am Ufer des Flusses patrouillieren Polizisten, die es inzwischen aufgegeben haben, den Touristen zu verbieten, in halsbrecherischen Aktionen auf die Kaimauer zu steigen, um bessere Selfies von sich und der Kathedrale zu machen. „Die Leute lassen sich nichts sagen, manche werden sogar richtig wütend, wenn wir einschreiten“, sagt ein junger Beamter und schüttelt den Kopf.

Viele Menschen weinen, wenn sie die Ruine sehen

Eine ältere Frau steht etwas abseits und blickt regungslos auf Notre-Dame, Tränen rinnen über ihre Wangen. Sie kommt aus Italien, eine Woche sei sie in Paris und wollte alles besichtigen. Dann aber musste sie am Montagabend miterleben, wie Notre-Dame brannte. „Ich habe seitdem nicht mehr geschlafen und komme nun jeden Tag hierher“, sagt die pensionierte Lehrerin und will wissen, wo man für den Wiederaufbau spenden kann. Als sie hört, dass schon fast eine Milliarde Euro für das Projekt versprochen sind, ist sie sichtlich erleichtert.

Ein paar Meter weiter sitzt ein Mann unter einem Baum und malt. Er stellt sich vor als „Simon, der Künstler“. „Ich wohne nur 500 Meter von hier. Als ich gesehen habe, dass Notre-Dame brennt, bin ich sofort an das Ufer der Seine geeilt. Es war schrecklich!“ Zuerst habe er mit seiner Kamera Fotos gemacht, doch nun müsse er sich entschleunigen, um wirklich begreifen zu können, was passiert ist. Dass er selbst zum Fotomotiv wird, kümmert ihn wenig. Im Grunde labe er sich mit seiner Kunst ja auch an der Katastrophe. Er selbst werde über das Inferno auch noch ein Gedicht schreiben oder eine Erzählung. Solche Dramen müssten für spätere Generationen festgehalten werden.