Igel sollten jetzt im Winterschlaf sein. Aber immer mehr Tiere verhungern, die Nahrungsquellen sind zu spärlich. Was hilft den Igeln jetzt?

Göppingen - Die ehrenamtliche Wildtierpflegerin Anja Noll wollte einen Aufnahmestopp für kleine Igel verhängen – dieses Vorhaben hat sie aber Mitte Oktober aufgegeben. Finder brachten in diesem Jahr etwa 60 Jungtiere zu ihr, die jetzt fast alle in anderen Gärten überwintern dürfen.

 

Die Tiere waren entweder krank, ohne Mutter unterwegs oder abgemagert – zum Teil wogen sie nur 120 Gramm. Vor kurzem fand Anja Nolls Mutter noch sechs weitere Igel im Garten, die lediglich 110 und 130 Gramm auf die Waage brachten. Viel weniger, als sie eigentlich sollten: Das optimale Gewicht für winterschlafbereite Igel liegt bei 500 bis 600 Gramm.

Die Situation spitzt sich dramatisch zu

Die Situation der Igel spitzt sich von Jahr zu Jahr dramatisch zu, sagt Anja Noll. Immer mehr Igel in schlechtem Zustand landen in Pflegestellen: „Es gibt viele Igel, die sind derart unterernährt, dass sie noch in der Pflege sterben.” Eine andere Igelpflegerin, Doris Kast in der Nähe von Ulm, betreue aktuell sogar über 200 Igel. In der Not fressen die Tiere Dreck, Würmer und Schnecken, wobei sie sich mit Parasiten und Krankheitserregern infizieren, sagt Noll. Viele sterben dann an Lungen- und Darmentzündungen. Anja Noll schickte einige ihrer Tiere zu den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern (CVUA) nach Stuttgart. Dort stellte man fest: Viele der Igel hatten Darmsaug- und Lungenwürmer sowie Kryptosporidien, die in größerer Konzentration zu Blutvergiftungen führen. „Die Kombination hat den Igeln das Leben gekostet”, klagt Noll.

Dass Gärten inzwischen zu steril sind, wird für Igel zum lebensbedrohlichen Problem: Es gibt zu wenig Insekten, sodass Igel verhungern. „Rollrasen oder Schotter bringen dem Igel nicht viel. Der findet da keine Nahrung, keine Versteckmöglichkeiten”, sagt die Wildtierpflegerin. „Igel brauchen Insekten und die fühlen sich im Schottergarten nicht sonderlich wohl.” Die Menschen müssten sich wieder trauen, wilde Ecken in ihren Gärten zuzulassen. Zum Beispiel keinen Rasen mähen, damit Käfer, Grashüpfer und andere Kleintiere sich wieder ansiedeln. Und Totholzecken, in denen Igel sich verstecken und einnisten. Noll empfiehlt außerdem, in Igelfutterhäusern zuzufüttern: „Da kann man hochwertiges Katzentrocken- oder -nassfutter anbieten.”

Normalerweise beginnt der Winterschlaf Mitte November

Normalerweise ziehen sich Igel Mitte November zurück und beginnen ihren Winterschlaf, wenn die Temperaturen unter fünf Grad bleiben. Erst im Frühling, im März, April oder Mai, wenn die Temperaturen wieder steigen, wachen die Igel auf und kommen aus ihrem Versteck.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Diese Frau pflegt kranke Igel gesund

Ein Tier, das bei kalten Temperaturen noch wach und unterernährt oder krank ist, braucht Hilfe – sonst überlebt es nicht. Schlafunterbrechungen bei milderen Temperaturen können aber vorkommen.

Igel sind nachtaktiv

Es gibt verschiedene Situationen, wann einem Igel geholfen werden sollte: „Wenn die Tiere tagsüber unterwegs sind, haben sie meistens ein Problem”, sagt Noll. Denn Igel sind nachtaktiv. „Wenn sie sich beim Hochnehmen nicht mehr zusammenrollen, ist es meistens schon fast zu spät.”

Auch Jungtiere, die kleiner als eine Orange und allein unterwegs sind, brauchen immer Hilfe. Typisches Erkennungszeichen für Mangelernährung ist der sogenannte Hungerknick: Der Nacken ist wie in einer Delle eingefallen. „Ein gut genährter Igel sollte oval aussehen”, erklärt Noll.