Vor dem Bundesverfassungsgericht geben die Innenminister von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern ein schwaches Bild ab. Noch schlechter präsentiert sich freilich NPD-Chef Frank Franz.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - So munter ist es noch selten zugegangen am Bundesverfassungsgericht. Stand am zweiten Prozesstag im NPD-Verbotsverfahren noch der juristische Diskurs im Mittelpunkt, gesittet und nicht immer leicht zu durchschauen, so sind zum Abschluss am Donnerstag die Fetzen geflogen. Es ging um die Interpretation des Parteiprogramms der NPD und um die tatsächliche Bedeutung der Partei. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Lorenz Caffier (CDU), sein Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern, die gemeinsam den Antrag stellenden Bundesrat vertraten, wurden von den Richtern gehörig in die Mangel genommen – und beide machten dabei nicht immer eine glückliche Figur. Doch das war gar nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte.

 

Der NPD-Vorsitzende Frank Franz wurde von der Richterbank regelrecht auseinandergenommen, als er das Programm seiner Partei erklären sollte – die Szenerie erinnerte an ein Kreuzverhör, wie man es aus amerikanischen Spielfilmen kennt – was in Karlsruhe selten vorkommt. Vor allem Peter Müller, der Berichterstatter im NPD-Verbotsverfahren und ehemalige Ministerpräsident des Saarlandes, fand sichtlich Gefallen daran, wie in Zeiten des parlamentarischen Schlagabtausches eine rhetorisch scharfe Klinge zu führen. Wären Kameras während des Prozesses zugelassen, dann hätte die „heute-show“ jetzt genügend Material für eine Sondersendung.

Kaum Interessenten bei NPD-Veranstaltungen

Innenminister Joachim Herrmann hatte sich gut vorbereitet. Knackige Worte wie geistige Brandstiftung standen auf dem Papier, als er die Schädlichkeit der Nationaldemokratischen Partei für die Demokratie zu belegen suchte. Kluge Schlussfolgerungen, wie die „impulsgebende Wirkung zur Begehung von Straftaten durch die Partei“ hatte er sich zurechtgelegt. Doch dann kam Joachim Herrmann gleich bei der ersten Nachfrage des Gerichts ins Stocken. Teilnehmerzahlen von NPD-Veranstaltungen müsse er nachreichen, sagte der Minister.

Es wurde noch ungemütlicher. Verfassungsrichter Peter Müller zitierte aus mehreren Verfassungsschutzberichten zur NPD. Da hieß es „kaum Teilnehmer“ (Baden-Württemberg), „Niedergang setzt sich fort“ (Niedersachsen) oder „weitgehend inaktiv“ (Schleswig-Holstein). „Wo ist denn da die Gefahr für die Demokratie?“, wollte Müller wissen. Der Innenminister blieb eine Antwort weitgehend schuldig. Und auch die Frage, warum denn ausgerechnet jetzt ein Verbotsantrag gestellt werde und nicht zu Zeiten, als die NPD an der Tür zum Bundestag geklopft hatte, blieb offen.

Magere Antworten vom Innenminister

Nicht viel besser erging es Lorenz Caffier. Ob er denn wirklich glaube, dass die von ihm als Beleg für systemzerstörerisches Verhalten angeführten Kinderfeste der NPD die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellten, wurde der Minister von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle gefragt. Die Antwort war mager.

Aber es war wenigstens eine Antwort. Als der NPD-Vorsitzende Frank Franz von den Richtern zu dem Begriff der Volksgemeinschaft befragt wurde, der im Parteiprogramm eine zentrale Rolle spielt, war nichts mehr von der Souveränität zu spüren, die Franz in den Fluren des Gerichts gern zur Schau stellt. Dem Vorhalt „ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können“ begegnete Franz mit der schwächsten aller Antwortmöglichkeiten: „Wo steht das?“ Für Peter Müller eine Steilvorlage: „Ja sind denn Sie in der NPD oder ich?“, so der Richter.

Die Richter zerpflücken den NPD-Chef

Es war offensichtlich: Würde Franz so reden wie bei Parteiveranstaltungen, er böte den Richtern eine Vielzahl an Argumenten, die eine Wesensnähe seiner Partei zur NSDAP belegten. Doch sein Versuch, sich zurückzuhalten, misslang. Die Abgrenzung zwischen Mitgliedern der Volksgemeinschaft, zwischen Staatsbürgern und ethnischen Deutschen wurde von den Verfassungsrichtern zerpflückt. Bei einer weiteren Nachfrage zum Widerstandsrecht, das die NPD propagiert, brachte der Vorsitzende schließlich gar keine Antwort mehr zustande und schwieg. Sekundenlange Stille im Raum. „Lassen wir das mal weg“, erlöste ihn Voßkuhle.

Wie gefährlich die NPD nach Ansicht der Antragstellerin ist, erklärte deren Prozessvertreter Christian Waldhoff. Die NPD mache sich das „aufnahmebereite Umfeld“ zunutze. Seit 1990 habe das Innenministerium elf extremistische Vereinigungen verboten – neun von ihnen wiesen Verflechtungen mit der NPD auf, erklärte der Rechtsprofessor aus Berlin.

Das Verfassungsgericht wird nun eingehend die abgegebenen Ausführungen prüfen; zunächst hat die NPD eine sechswöchige Frist, um weitere Stellungnahmen abzugeben, auf welche der Antrag stellende Bundesrat noch einmal eine Reaktionsfrist bekommen wird. Das Gericht hat nicht ausgeschlossen, noch einmal in die mündliche Verhandlung einzutreten, wenn es die Notwendigkeit dafür sieht. Mit einem Urteil ist daher erst in einigen Monaten zu rechnen.