Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte mit diesem Vorschlag weiteren Ärger mit den USA vermeiden: Ein Sonderermittler soll die heikle Suchbegriffsliste des US-Geheimdienstes NSA begutachten und dem Bundestag begrenzt Bericht erstatten. Für die Opposition zu wenig, für die USA zu viel.

Berlin - Deutschland und die USA gehen wegen der US-Geheimliste mit europäischen Spionagezielen auf Konfrontationskurs. Zwar äußert sich die Bundesregierung nicht zu einem Bericht der „Bild am Sonntag“, wonach Washington die Entscheidung der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für einen Sonderermittler zur Begutachtung und Bewertung der Liste ablehne. Ein Sprecher erklärte aber am Sonntag in Berlin: „Es gilt das Angebot der Bundesregierung.“

 

Die Regierung bietet dem Untersuchungsausschuss des Bundestags in der Affäre um den US-Geheimdienst NSA und den Bundesnachrichtendienst (BND) an, eine unabhängige Vertrauensperson einzusetzen. Dieser Sonderermittler soll die sogenannten Selektorenliste untersuchen, mit der die NSA über Analyserechner des BND europäische Politiker überwacht und Wirtschaftsspionage betrieben haben soll.

Linke und Grüne bestehen darauf, dass Abgeordnete selbst die Liste einsehen können. Beide Parteien drohen mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Regierung wollte gerade einen Konflikt mit den USA vermeiden, indem sie als Kompromiss einen Sonderermittler vorschlägt, der dem Untersuchungsausschuss und zwei weiteren Gremien über die Liste berichtet - ohne konkrete Inhalte offenzulegen.

Die NSA erwägt, die Zusammenarbeit mit Deutschland zu kappen

Die „Bild am Sonntag“ zitiert ungenannte Quellen aus Washington, dass von der Bundesregierung erwartet werde, trotz politischen Drucks keine Staatsgeheimnisse zu verraten. Laut „Bild am Sonntag“ erwägt die NSA nun, die Zusammenarbeit mit Deutschland zu kappen und sich anderen europäischen Partnern stärker zuzuwenden - etwa Polen. Grüne und Linke halten das für Drohgebärden.

Die Obfrau der Linken im Untersuchungsausschuss, Martina Renner, erklärte: „Wieviel politische Brisanz steckt in den Listen mit Spionagezielen der NSA, dass nun selbst das V-Person-Verfahren ad absurdum geführt wird.“ SPD-Vize Ralf Stegner sagte der „Welt“ (Montag): „Das Modell mit dem Sonderermittler muss möglich sein. Ein Verzicht lässt unsere Verfassungsordnung wackeln.“

Nach Berichten der „Süddeutsche Zeitung“ und der „Welt am Sonntag“ sind Union und SPD bereit, den ehemaligen Richter am Bundesverwaltungsgericht, Kurt Graulich, als Sonderermittler einzusetzen. Ein Regierungssprecher sagte dazu: „Herr Graulich ist ein anerkannter Fachmann. Er ist natürlich auch der Bundesregierung bekannt.“