Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hatte den späteren Rechtsterroristen Uwe Mundlos frühzeitig im Visier. Doch wurde die Chance vertan, die Mordserie zu stoppen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Gegen Mittag verbreiten die Nachrichtenagenturen eine Eilmeldung, die seit einem Jahr überfällig ist: die Anklage wegen der Neonazi-Mordserie. Zur gleichen Zeit protokollieren die Stenografen im Plenarsaal des Bundestags eine andere Art von Anklage. In einer Aktuellen Stunde widmet sich das Parlament wieder einmal diesem beispiellosen Verbrechen – zumindest ein Rumpfparlament. Nur die Grünen-Fraktion ist halbwegs vollständig erschienen. Für die Union ist immerhin Fraktionschef Volker Kauder zugegen. Bei der sozialdemokratischen und linken Konkurrenz glänzt die Prominenz durch Abwesenheit. Die vor einem Jahr noch allumfassende Betroffenheit ist scheinbar reichlich abgekühlt.

 

Die Redebeiträge klingen durchweg, als würde eine Anklageschrift verlesen – egal, wer am Mikrofon steht. Der Grüne Wolfgang Wieland konstatiert ein „Totalversagen der Sicherheitsbehörden“. Er sagt: „Hier hat der Staat schwere Schuld auf sich geladen.“ Die Sozialdemokratin Eva Högl nennt die Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) einen „Anschlag auf unsere Demokratie“. Der Liberale Hartfrid Wolff diagnostiziert eine „schwerwiegende Krise der Sicherheitsorgane“. CDU-Mann Clemens Binninger, früher selbst Polizist, stellt den Exkollegen ein „Armutszeugnis“ aus und geißelt einseitige Ermittlungen. Die Linke Petra Pau erkennt da sogar „rassistische Züge“. Und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigt eine „neue Entschlossenheit bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus“ an.Alle Redner außer Friedrich hatten zuvor Gelegenheit, einem Herrn zu lauschen, der erzählt, wie die Mordserie vermieden oder zumindest rasch aufgeklärt hätte werden können. Der Herr ist Zeuge im Untersuchungsausschuss, trägt einen Nadelstreifenanzug und sieht eigentlich zu zivil aus, um sich Oberst a.D. zu nennen. Er wirkt zu elegant, um auf Anhieb als ehemaliger Agent identifiziert zu werden. Dieter Huth, der pensionierte Offizier, hat 35 Jahre für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) gearbeitet. Sein Job war es, Rechtsextremis- ten in der Truppe aufzuspüren. In dieser Funktion war er auch mit dem Fall Uwe Mundlos befasst, einem der drei Zwickauer Neonazis.

Ein Oberst a.D. klärt über die MAD-Aktivitäten auf

Mundlos hatte im März 1994 seinen Wehrdienst beim Panzergrenadierbataillon 381 in Bad Frankenhausen angetreten. Die Bundeswehr, so der Oberst a.D., sei damals „für Rechtsextremisten ein attraktiver Laden“ gewesen. Der Abgeordnete Wieland, Grünen-Obmann im Untersuchungsausschuss, geht noch einen Schritt weiter. „Die Bundeswehr war in den neunziger Jahren eine Schule der Rechtsextremisten“, sagt er. Mundlos hatte schon eine braune Gesinnung, bevor er Rekrut wurde. Als Soldat kontrollierte ihn eines Tages die Polizei fernab der Kaserne. Das war im August 1994. Sie fand in seinen Taschen Visitenkarten mit Hitlers Konterfei und später in der Wohnung Kassetten mit rechter Musik sowie NPD-Flugblätter.