Eine Erkenntnis mehr, aber kein Fortschritt: Eine Handynummer führt den NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags nicht zur Sauerland-Gruppe, sondern zu einem schwäbischen Mittelständler.

Stuttgart - Wieder hat der zweite NSU-Untersuchungsausschuss eine Frage geklärt, wieder ist er keinen Schritt weitergekommen. Es geht um den Anschlag auf zwei Beamte der Landespolizei auf der Heilbronner Theresienwiese im Jahr 2007. Die Polizistin Michèle Kiesewetter starb durch einen Kopfschuss. Die Generalbundesanwaltschaft rechnet den Mord dem Nationalsozialistischen Untergrund zu. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen die Täter gewesen sein.

 

Nach diversen Medienberichten spielte sich an jenem Tag nicht weit entfernt vom Ort des Anschlags eine Art Parallelgeschehen ab, an dem islamistische Terroristen, womöglich Mitglieder der sogenannten Sauerland-Gruppe und US-Geheimdienstleute beteiligt gewesen seien. Zeitweise schossen Spekulationen ins Kraut, dass die vermeintliche Geheimdienstoperation und das Attentat auf Kiesewetter und ihren Streifenpartner, der schwer verletzt überlebte, in einem Zusammenhang stehen könnte. Unter anderem wurde auf eine Handynummer mit den Endziffern 1004 verwiesen, die in der Nähe der Theresienwiese ins Mobilfunknetz eingeloggt gewesen sei und die in die Islamisten-Szene führe. Auch der Zeuge Reinhard Kiefer, ein früherer ziviler Mitarbeiter des US-Militärs und inzwischen Berater der AfD-Landtagsfraktion für den Untersuchungsausschuss, hatte darüber vor dem Untersuchungsausschuss gesprochen.

Doch diese Spur, das hat der Untersuchungsausschuss jetzt ermittelt, führt in die Irre. Der vermeintliche Kreuztreffer – eine Handynummer, die sowohl im Umfeld der Heilbronner Theresienwiese wie auch bei der Sauerland-Gruppe auftauchte – ist keiner. Der Untersuchungsausschuss konnte die Handynummer dem Außendienstmitarbeiter eines schwäbischen Mittelständlers zuordnen. Die Nummer sei seit dem Jahr 2005 aktiviert gewesen – auch am Tattag, dem 25. April 2007. Mitglieder der Sauerland-Gruppe hatten vor dem Untersuchungsausschuss bereits bestritten, damals in Heilbronn gewesen zu sein. Im Untersuchungsausschuss zeigt man sich pikiert, dass die Polizei diesen Sachverhalt nicht selbst aufzuklären vermochte.

AfD-Mitarbeiter außer Kontrolle

Nicht nur pikiert, sondern entrüstet zeigen sich Ausschussmitglieder über das Gebaren Kiefers. Der frühere Mitarbeiter eines US-Militärnachrichtendienstes, im Streit von seinem Arbeitgeber geschieden, arbeitet inzwischen im Untersuchungsausschuss der AfD-Abgeordneten Christina Baum zu. Da er jedoch vom selben Ausschuss bisher noch als Zeuge geführt wird, darf er nur sehr eingeschränkt Unterlagen einsehen. Sein Leumund unter den Ausschussmitgliedern ist denkbar schlecht. Er gilt als unglaubwürdiger Zeuge, der in dem Bestreben, sich wichtig zu machen, allerlei erfinde und sich dann in Widersprüche verwickle.

Aber nicht nur das. Der Untersuchungsausschuss wirft Kiefer jetzt vor, sich Befugnisse anzumaßen, über die er nicht entfernt verfüge. So habe er sich zum Beispiel in einem Schreiben als Sonderermittler des NSU-Untersuchungsausschusses ausgegeben. Auch habe er unter Verweis auf seine nachrichtendienstlichen Erfahrungen auf eigene Faust Nachforschungen bei der Polizei angestellt, etwa in Ulm. Ein weiterer Vorwurf, der allerdings von der AfD-Fraktion bestritten wird: Kiefer habe versucht, sich über einen Laptop Zugang zu Informationen zu verschaffen, die für ihn als Zeugen gesperrt sind.

Die Fraktionen im Bundestag und in den Landtagen verfügen in ihrer parlamentarischen Arbeit über ein hohes Maß an Autonomie. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags wird den parlamentarischen Berater Kiefer nicht auf Dauer im Zeugenstand belassen können: Entweder muss er ihn erneut laden – oder als Zeuge entlassen. Dann bekäme Kiefer, der auch vom U-Ausschuss als unglaubwürdig eingestuft worden war, offiziell Zugang zu den Ausschussakten. Im Untersuchungsausschuss wird gespannt erwartet, welche Aktionen Kiefer in seiner unternehmungslustigen Fabulierkraft dann starten wird.