Der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Nils Schmid will auch in Zeiten, in denen kein Wahlkampf ansteht, an den Haustüren klingeln. Hier könnten Politiker Menschen erreichen, die weder an Infoständen, noch bei Vortragsveranstaltungen anzutreffen seien.

Nürtingen - Seit 100 Tagen vertritt Nils Schmid den Wahlkreis Nürtingen im Deutschen Bundestag. Der SPD-Politiker, ehemals Finanzminister des Landes Baden-Württemberg und stellvertretender Ministerpräsident in der damaligen grün-roten Landesregierung, sieht seine Partei in dem schwarz-roten Regierungsbündnis in Berlin auf einem guten Weg.

 

Auch wenn die Außendarstellung zu wünschen übrig lasse und derzeit ohnehin der unionsinterne Streit über die Flüchtlingspolitik die Schlagzeilen beherrsche, habe die SPD erfolgreich sozialdemokratische Themen auf die Tagesordnung gesetzt. Das Thema Familiennachzug für Flüchtlinge sei abgehakt, die Senkung der Krankenkassenbeiträge zum 1. Januar auf den Weg gebracht, ebenso das Rückkehrrecht von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in die Vollzeit. „Diese Weichenstellungen zeigen, dass die SPD-Entscheidung für die Große Koalition richtig war“, sagt der Abgeordnete, der zugibt, das seine Partei noch schwer an der Niederlage bei der Bundestagswahl 2017 zu tragen habe.

Schmid ist im Wahlkreis Nürtingen, den er von 1997 bis 2011 schon einmal als Landtagsabgeordneter betreut hat, angekommen. Das neue Büro im Bahnhofsgebäude ist bezogen, die Patenschaftsurkunde für das Okapi Lumara – eine Erinnerung an die Zeit, in der er als Landesminister für Wirtschaft und Finanzen auch für die Stuttgarter Wilhelma zuständig gezeichnet hat – hängt an der Wand. In den nächsten Tagen soll die Wahlkampfwerbung, die noch an der Hausfront prangt, durch einen dann unübersehbaren roten SPD-Banner ersetzt werden. Dann wird nur noch auf den Sprudelgläsern der Name seines Vorgängers Rainer Arnold stehen. „Die bleiben auch. Als guter Schwabe werfe ich die Gläser doch nicht weg“, sagt Schmid.

Mit den Bürgern ins Gespräch kommen

Auch wenn der Abgeordnete den Wahlkreis eigenen Worten zufolge noch wie seine Hosentasche kennt, will er die lokale Befindlichkeit in einer Reihe von Hausbesuchen ausloten. „Ich will mit den Menschen ins Gespräch kommen, auch wenn kein Wahlkampf ansteht“, sagt er. An den Haustüren seien die Menschen zu erreichen, die weder an Info-Ständen, noch auf Vortragsveranstaltungen anzutreffen seien. „Man spricht nicht gerade die Massen an, aber man bekommt eine gute Rückmeldung“, sagt der Abgeordnete, der landauf landab ein gestiegenes Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit festgestellt haben will.

Neue Medien, gebrochene Arbeitsbiografien, Angst um die Rente, Dieselkrise, steigende Mieten, Flüchtlingsthema, irrlichternde Akteure in der Weltpolitik – in dieser Gemengenlage den Menschen Geborgenheit zu vermitteln, sei eine ganz neue Herausforderung für einen Politiker, sagt Schmid. Er habe das Gefühl, dass er als Referent vor allem in seiner Funktion als Außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in diesen Zeiten besonders aufgerufen sei, nicht nur Sachpolitik zu machen, sondern auch „Orientierung in die Gesellschaft hinein“ zu geben. Als Beispiel nennt Schmid den Vortragsabend „Außenpolitik in Zeiten von Trump, Putin & Co.“, zu dem die SPD Denkendorf unter der Fragestellung „Was wird aus der Welt?“ am Dienstag eingeladen hatte. Zumindest einen Vorteil habe die unübersichtliche Weltlage. „Die ins Rutschen geratenen Koordinaten in der internationalen Politik haben bei vielen Menschen das Interesse an Europa wieder geweckt“, sagt Schmid.