Nach der gescheiterten Bewerbung von 2010 will die Stadt erneut ihren Hut in den Ring werfen. Stadträte hoffen auf eine Schubwirkung für die ganze Kommune. Der Streit über ein Hotel am Neckar überschattet jedoch den erneuten Vorstoß.

Nürtingen - Eine Landesgartenschau hat eine Lokomotivfunktion und verleiht einer Stadt eine enorme Schubkraft.“ Die Mitglieder des Nürtinger Bauausschusses haben sich in ihrer jüngsten Sitzung von Johann Senner, dem Chef des gleichnamigen Planungsbüros für Landschaftsarchitektur, überzeugen lassen. Einstimmig votierten sie dafür, sich für eine Landesgartenschau in der Zeit zwischen 2031 und 2035 zu bewerben. Dies wird der zweite Anlauf sein. Schon einmal, vor acht Jahren, bewarb sich Nürtingen für eine Gartenschau – damals jedoch vergeblich.

 

Die Bewerbungsunterlagen müssen voraussichtlich bis spätestens Ende nächsten Jahres abgegeben werden. Für Juni 2020 wird die Bekanntgabe der erfolgreichen Bewerber erwartet. Ein wichtiges Kriterium für einen Erfolg sei eine umfangreiche und frühzeitige Einbindung der Bürger, erklärte Johann Senner, der mit seinem Büro bereits mehrfach Städte auf ihrem Weg zu Gartenschauen begleitet hat. Die erste Bürgerbeteiligung soll es deshalb in Nürtingen noch vor dem Sommer geben, um Ideen und Anregungen zu sammeln. Mindestens drei solcher Runden sind bis zum Ende der Bewerbungsfrist vorgesehen, sagt der Chef der Planstatt Senner.

Bürger sorgen sich wegen der Freiflächen am Neckar

Währenddessen beteiligen sich Bürger jetzt schon intensiv an der Debatte über die Gestaltung des Neckarufers, das in der Bewerbung eine tragende Rolle spielen wird. Sie haben sich allerdings auf eine Art in die Diskussion eingeschaltet, wie sie sich die Stadtverwaltung und eine Mehrheit im Gemeinderat nicht vorgestellt haben: Die Bürgerinitiative Nürtingen am Neckar kämpft gegen den Plan, auf Höhe der Fischtreppe ein Hotel mit Terrasse und Biergarten zu bauen. Die Initiative will verhindern, dass öffentlich zugängliche Freiflächen am Neckar verloren gehen. Kritik gibt es zudem an der Architektur des Entwurfs für ein Hotel mit 82 Zimmern.

4701 Unterschriften gegen den Verkauf von städtischen Flächen zum Bau eines Hotels hat die Initiative zum Wochenbeginn eingereicht mit dem Ziel eines Bürgerentscheids. Als nächstes muss der Gemeinderat entscheiden, ob er dieses Bürgerbegehren für zulässig hält. Die Stadtverwaltung will diese Frage nun rechtlich prüfen. Zwar hat der Gemeinderat den Verkaufsbeschluss inzwischen zurückgenommen und einem Mediationsverfahren zugestimmt. Allerdings hat er für die fraglichen Flächen die Nutzungsart Hotel festgelegt, was die Initiative nicht akzeptiert. Sie wirft dem Oberbürgermeister Otmar Heirich vor, die Bemühungen um einen Kompromiss „einseitig aufgekündigt“ und somit als Vermittler zwischen Bürgern und Gemeinderat versagt zu haben.

Nürtingen könnte sich ein Beispiel an Balingen nehmen

Aus Erfahrung wisse er, so Johann Senner, dass fast jede sich um eine Gartenschau bewerbende Stadt solche „heißen Eisen“ habe. Dabei seien unterschiedliche Lösungen zu beobachten. Senner nannte unter anderem das Beispiel Balingen (Zollernalbkreis), das die Gartenschau 2023 ausrichten wird. Dort war zunächst geplant, das Strasser-Areal mit Einzelhandel und Wohnraum zu überbauen. Inzwischen jedoch soll die Fläche ein Teil des Gartenschaugeländes werden. Was nach der Gartenschau mit dem Areal geschieht, soll im Dialog mit den Bürgern ausgelotet werden.

Nach diesem Vorbild sprechen sich auch Nürtinger Stadträte für eine Denkpause aus. „Ich meine, das ,heiße Eisen‘ Hotel müssen wir schlicht und ergreifend liegenlassen, sonst werden wir keinen Blumentopf gewinnen,“ appellierte Bernd Sackmann. (Nürtinger Liste/Grüne). Nachdenklichkeit scheint auch in den Reihen der Hotel-Befürworter einzukehren. „Wir müssen manche Sachen, die wir in letzter Zeit angestoßen haben, neu überdenken“, meinte Werner Oelkrug (Liberale).

Erfolgsprogramm seit 1980

Landesgartenschauen
In Baden-Württemberg gibt es Landesgartenschauen seit dem Jahr 1980. Den Anfang machten Ulm/Neu-Ulm, dieses Jahr findet sie in Lahr statt. Für dauerhafte Grün- und Freiflächen muss ein geeignetes, möglichst zusammenhängendes Gelände vorhanden sein – mindesten zehn bis 15 Hektar. Seit 2001 gibt es zudem Grünprojekte, die eine Nummer kleiner sind als Gartenschauen.

Finanzierung
Interessierte Städte müssen über ihren Haushalt gewährleisten, dass sie eine Gartenschau finanziell stemmen können. Über das Förderprogramm „Natur in Stadt und Land“ gibt es aber einen Zuschuss in Höhe von 50 Prozent der Investitionskosten, maximal fünf Millionen Euro. Wer zum Zug kommt, darf indessen auf weitere Fördertöpfe hoffen.