Im Fall der sogenannten Florida-Oma ist der Versuch einer außergerichtlichen Einigung gescheitert. Der Frau wird vorgeworfen, am 4. Januar 2010 in einem Ferienhaus auf der Insel St. George ihren fünf Jahre alten Enkel Camden H. in der Badewanne ertränkt zu haben. Jetzt droht ihr die Todesstrafe in den USA.

Nufringen/Apalachicola - Im Fall der sogenannten Florida-Oma ist der Versuch einer außergerichtlichen Einigung gescheitert. Die Richterin in Apalachicola/Florida setzte deshalb am vergangenen Freitag bei einer Anhörung einen neuen Verhandlungstermin fest. Am 24. Oktober soll der Mordprozess gegen die 73 Jahre alte Marianne B. aus Nufringen mit der in den USA üblichen Wahl einer Jury beginnen. Bei einer Verurteilung droht ihr die Todesstrafe. Der Frau wird vorgeworfen, am 4. Januar 2010 in einem Ferienhaus auf der Insel St. George ihren fünf Jahre alten Enkel Camden H. in der Badewanne ertränkt zu haben. Die Großmutter hatte angegeben, sie habe es nicht ertragen, dass der Junge in einer Scheidungsfamilie aufwachse.

 

Unzählige Anhörungen und Vorverhandlungen hat es in den vergangenen zweieinhalb Jahren im Gericht der Kleinstadt Apalachicola gegeben. Eigentlich hätte am 30. Juli der Prozess gegen die 73-Jährige beginnen sollen. Doch nur wenige Tage vor dem Termin hatte die Verteidigung einen weiteren Zeugen benannt – einen Psychiater, der bestätigen sollte, dass Marianne B. zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig war. Die Staatsanwaltschaft bat daraufhin um mehr Zeit, um sich auf den Zeugen vorzubereiten. Die Richterin Angela Dempsey vertagte den Prozess und forderte die Parteien auf, einen Deal auszuhandeln – ein in den USA übliches Verfahren, um langwierige Prozesse abzukürzen.

30 Jahre Haft sind keine Option

Der Deal kam nicht zustande. Die Staatsanwaltschaft bot bei einem Schuldeingeständnis von Marianne B. eine Strafe von 30 Jahren an. Damit wäre die sonst bei einer Verurteilung drohende Todesstrafe vom Tisch gewesen. Doch die Verteidigung plädierte weiter auf „unschuldig wegen Unzurechnungsfähigkeit“.

Bereits seit Dezember 2010 hält sich die Nufringerin im Florida State Hospital in Chattahoochee auf, nachdem mehrere Gutachter sie für nicht verhandlungsfähig erklärt hatten. Nach einem Jahr Therapie befand die Richterin Dempsey die Frau fit genug für einen Prozess. Trotzdem lebt die 73-Jährige weiter in dem psychiatrischen Krankenhaus. Sollte der Prozess am 24. Oktober eröffnet werden, wird er sich hinziehen. Die Staatsanwaltschaft hat 30 Zeugen geladen, darunter den in Nufringen lebenden Ehemann der Angeklagten, der seinen Enkel tot in der Badewanne gefunden hatte. Die Verteidigung will offenbar die drei Hausärzte von Marianne B. aus Nufringen und Ehningen hören und mehrere Gutachter. Neu auf der Zeugenliste ist der aus Deutschland stammende und in den USA lebende Experte Manfred Greiffenstein. Die Gutachter sagen, Marianne B. sei als Kind im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff auf ihre Heimatstadt Breslau so schwer am Kopf verletzt worden, dass sie heute mit Depressionen und Demenz kämpfe. Deshalb sei sie bei der Tötung des Jungen nicht zurechnungsfähig gewesen.

Die Verteidigung plädiert auf Freispruch

Der Vater des getöteten Kindes, David H., ein Softwareexperte und Designer aus Atlanta, bezweifelt diese These:„Ich kenne Marianne B. seit 20 Jahren. Mir ist nie aufgefallen, dass sie krank war.“ Sein Sohn stammte aus der Ehe mit Marianne B.s Tochter, die David H. in Böblingen kennengelernt hatte, als er dort für IBM arbeitete. Die Ehe wurde geschieden, als Camden eineinhalb Jahre alt war. Der Junge lebte bei seiner Mutter in einem Vorort von Atlanta, wenige Autominuten vom Vater entfernt. Die deutschen Großeltern waren jedes Jahr in den USA und kümmerten sich um den Enkel. Im Dezember 2009 waren sie mit dem Fünfjährigen zu einem Urlaub auf die Ferieninsel St. George aufgebrochen. Dort starb der Junge am 4. Januar 2010 in der Badewanne des Ferienhauses. Der Vater erhofft sich durch einen Prozess die Aufklärung des Falls.