Bei Air Berlin normalisiert sich der Flugbetrieb allmählich. Immer mehr Piloten melden sich „fit zum Dienst“, wie es heißt. Die Empörung über die massenhaft spontanen Krankmeldungen hält hingegen an – auch bei den Arbeitgebern Baden-Württemberg.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die insolvente Fluglinie Air Berlin verunsichert weiterhin die Kunden: Auch an diesem Donnerstag komme es in Stuttgart vereinzelt zu Flugausfällen, heißt es auf der Website des Flughafens. Passagiere von Air Berlin und Eurowings sollten ihren Flugstatus checken und sich für weitere Informationen zur Umbuchung direkt an die Airline oder ihren Reiseveranstalter wenden. Nach Angaben von Air Berlin wurden in Stuttgart zwei Flüge annulliert, in Berlin-Tegel vier, in Düsseldorf zwei und in Frankfurt eine.

 

„Der Krankenstand bei unseren Piloten sinkt deutlich“, sagte indes eine Sprecherin der Fluggesellschaft. Immer mehr Flugzeugführer meldeten sich fit zum Dienst. „Insgesamt erwarten wir für heute einen normalen Flugbetrieb bei Air Berlin.“ Allerdings spüre der Konzern noch leichte Nachwirkungen der vergangenen Tage und des Hurrikans „Irma“ in den USA. Deshalb könne man derzeit nicht alle Verbindungen von und nach Florida planmäßig fliegen.

Am Dienstag und Mittwoch waren wegen kollektiver Krankmeldungen von etwa 200 Piloten rund 200 Flüge ausgefallen. Die bundesweite Empörung darüber hält an: „Sie gefährden alles, ohne Rücksicht auf das Schicksal des Unternehmens und damit vieler anderer Beschäftigter von Air Berlin“, sagte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg, dieser Zeitung.

„In der Nähe einer kriminellen Organisation“

Die Flugzeugführer hatten sich offenbar über die Chat-Gruppe eines Messenger-Dienstes zur geschlossenen Abmeldung vom Dienst verabredet, was für eine intensive Vorbereitung der Aktion spricht. Dick kritisiert dies mit drastischen Worten: „Viele dieser Piloten sind Straftäter.“ Es sei offensichtlich, „dass in den allermeisten Fällen keine Krankheit vorliegt, die das Ausüben der Pilotentätigkeit unmöglich gemacht hätte“. Dem Vernehmen nach habe es „plötzliche Erkrankungen“ noch in den Briefings vor dem Flug oder sogar erst auf dem Weg zum Flugzeug gegeben.

„Das rückt das Ganze in die Nähe einer kriminellen Organisation“, betont der Jurist. Dies sei nicht nur ein „arbeitsrechtlich heikles“, sondern auch „ein unverschämtes, strafbares Verhalten“. Denn diese Piloten erfüllten den „Straftatbestand des Lohnfortzahlungsbetrugs“, weil sie das Recht der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall „auf das Schamloseste missbrauchen“. Damit diskreditierten sie die vielen Arbeitnehmer in Deutschland, denen nach dem Gesetz Entgeltfortzahlung zusteht, wenn sie arbeitsunfähig erkranken. „Und wenn hier massenhaft Straftatbestände erfüllt werden, stellt sich die Frage, inwieweit der Bund hier das Unternehmen zwingen kann, von den Piloten den entsprechenden Schadenersatz zu fordern.“ Der Arbeitgeber-Vertreter forderte Politik und Gewerkschaften auf, sich ganz deutlich von diesem Verhalten zu distanzieren. „Wenn das nicht geschieht, steht unser Rechtssystem wirklich auf tönernen Füßen.“

Flugkapitän rechtfertigt Krankmeldungen

Die Vereinigung Cockpit (VC) und Verdi hatten für den Ausstand auch Verständnis geäußert. Die Piloten seien durch den emotionalen Ausnahmezustand derzeit nicht in der Lage, ein Flugzeug zu führen, so ein VC-Sprecher. Stellvertretend hatte sich der Kapitän Hans Albrecht mit einem offenen Brief an den Vorstand gewehrt: „Die Belegschaft lässt man im Unklaren über ihre wirtschaftliche und berufliche Zukunft, um die Verunsicherung durch das Schüren von Existenzängsten auf ein Maximum zu treiben.“ Ziel sei es offensichtlich, sich „vertraglicher ,Altlasten’ zu entledigen, um auf diese Weise die Bedingungen des gesamten tarifierten Cockpitpersonals in Deutschland in der Nach-Air-Berlin-Ära unter Druck zu bringen“. Es scheine, dass die einzigen, die momentan rational mit der Situation umgehen, „jene Piloten sind, die in Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Sicherheit der Passagiere ihren Flugdienst nicht wahrnehmen (können)“, so der Kapitän – weil das Management es versäumt habe, den Beschäftigten Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen.

Air Berlin verhandelt derweil mit der Lufthansa und weiteren Airlines über einen Verkauf von Unternehmensteilen. An diesem Freitag endet die Bieterfrist.