Bis Jahresende will die Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz vorlegen. Migrationsexperten warnen vor überzogenen Erwartungen an ein solches Regelwerk. Die Einwanderung lasse sich nur begrenzt regulieren. Die SPD verteidigt ihr Projekt.

Stuttgart - Auf Drängen der SPD will die Bundesregierung noch in diesem Jahr ein Einwanderungsgesetz beschließen. Es soll ausländischen Fachkräften neue Zugänge zum deutschen Arbeitsmarkt eröffnen. Experten warnen hingegen vor überzogenen Erwartungen an das seit Jahren diskutierte Projekt. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Migration und Integration, Thomas Bauer, meldet im Interview mit der Stuttgarter Zeitung zudem Bedenken gegen ein Punktesystem nach kanadischem Muster an, wofür sich die SPD einsetzt. Das sei „nicht wirklich ein Vorbild“, sagt der Migrationsexperte.

 

Natascha Kohnen, Spitzenkandidatin der SPD bei der anstehenden Landtagswahl in Bayern und Mitglied im SPD-Bundesvorstand, verteidigt das Projekt gegenüber unserer Zeitung: „Wir fordern dieses Einwanderungsgesetz seit vielen Jahren“, sagt Kohnen. „Wir merken doch, schon mit Blick auf die Altersstruktur in Deutschland, dass wir Einwanderung brauchen.“ Die Sozialdemokraten erhoffen sich von dem Einwanderungsgesetz „einen legalen Migrationsweg, den wir kontrollieren und steuern können“. Viele Unternehmen klagten schon jetzt über Fachkräftemangel. In der Pflege bahne sich „ein riesiges Personalproblem“ an, so argumentiert Kohnen. Für solche Probleme könne „gezielte Einwanderung ein Baustein zur Lösung sein“.

Sachverständige für „Zielkorridor statt Obergrenze“ für Einwanderung

Die große Koalition hatte sich jüngst darauf verständigt, das Gesetzgebungsverfahren in der zweiten Jahreshälfte einzuleiten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) spricht sich in seinem Masterplan zur Asylpolitik für ein „bedarfsorientiertes Fachkräftezuwanderungsgesetz“ aus, das strikt an die Erfordernisse des Arbeitsmarktes gekoppelt sein soll. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart , „ein Regelwerk zur Steuerung von Zuwanderung in den Arbeitsmarkt“ zu schaffen, „das sich am Bedarf unserer Volkswirtschaft orientiert“. Aktuelle Zahlen zeigen, dass nur eine kleine Minderheit der Einwanderer auf den deutschen Arbeitsmarkt strebt. Im ersten Halbjahr 2017 hatten von 560 327 Neuankömmlingen in Deutschland – darunter gut 300 000-EU-Ausländer, die Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen – nur 64 246 eine Erwerbstätigkeit oder die Suche nach einem Job im Sinn.

Der Migrationsexperte Bauer plädiert dafür, „einen Zielkorridor statt einer Obergrenze“ für die Einwanderung festzulegen. „Es wäre an der Zeit, öffentlich darüber zu diskutieren, wie viel Zuwanderung wir insgesamt haben wollen und welche Zuwanderer es sein sollen“, sagt er. Regelungsbedarf sieht er vor allem im Bereich der Fachkräfte ohne akadamischen Abschluss. Allerdings warnt der von Bauer vertretene Sachverständigenrat vor dem Risiko, dass Ausbildungsstandards aufgeweicht werden könnten, wenn ausländische Abschlüsse leichter anerkannt werden.

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